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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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tausend Träume analysiert zu haben – so drückte er sich aus und auch heute noch wird seine Traumdeutung als Wissenschaft bezeichnet. Doch ist das die passende
Beschreibung für Freuds Ausführungen, die viele als bloße Nachahmung der Traumdeutung von Artemidor empfinden?
    Wie bei anderen Themen konnte Freud die Wissenschaft auch hier nicht voranbringen. Seine performativen Aussagen gründeten in Suggestionen, Projektionen und der eigenen Erwartungshaltung. Durch die Projektion der eigenen Fantasien fand Freud, was er finden wollte. Die Psychoanalyse funktionierte wie eine Entwicklerlösung seines Selbstporträts. Zum Beweis lese man diese Analyse aus der Traumdeutung: Ein vierzehnjähriger Junge litt an zwanghaften Ticks, hysterischem Erbrechen, Kopfschmerzen »etc.« [ sic ] Freud bat ihn, die Augen zu schließen und ihm seine Gedanken mitzuteilen. Der Junge erzählte, wie er mit seinem Onkel Dame spielte und die möglichen Züge und verbotenen Kombinationen kommentierte. Auf dem Spielbrett befanden sich ein Dolch, eine Sichel und eine Sense. Dann folgte das Bild eines Bauern, der sein Feld mähte. So weit der manifeste Inhalt dieses Wachtraums.
    Freud kommentierte: Der Patient habe eine schwierige Kindheit gehabt. Der Vater sei streng, die Mutter zärtlich gewesen, beide hätten sich nicht gut verstanden. Es sei zur Scheidung gekommen, der Vater habe wieder geheiratet, und nachdem er die neue Mutter kennengelernt hatte, seien bei dem Jungen die Symptome aufgetreten. »Eine Reminiszenz aus der Mythologie hat das Material gegeben.« ( Zur Psychologie der Traumvorgänge, Bd. II/ III, S. 624) Und so sah der latente Trauminhalt laut Freud aus: »Die Sichel ist die, mit der Zeus den Vater entmannte, die Sense und das Bild des Bauern schildern den Kronos, den gewalttätigen Alten, der seine Kinder frißt, und an dem Zeus so unkindlich Rache nimmt. Die Heirat des Vaters war eine Gelegenheit, ihm die Vorwürfe und Drohungen zurückzugeben, die das Kind früher einmal von ihm gehört hatte, weil es mit den Genitalien spielte (das Brettspiel; die verbotenen Züge; der Dolch, mit dem man umbringen kann). Hier sind es lang verdrängte Erinnerungen und deren unbewußt gebliebene Abkömmlinge, die auf dem
ihnen eröffneten Umwege sich als scheinbar sinnlose Bilder ins Bewußtsein schleichen.« (ebd.)
    Ein Junge von vierzehn Jahren kann wohl kaum etwas derart Präzises träumen, das die genaue Kenntnis der Werke Homers und Hesiods voraussetzt. Zwar glaubte Freud an eine psychische Phylogenese, welche die mythologischen Geschichten vererben könnte. Doch fänden sie sich in der Psyche derart detailliert wieder? Uranus, Gaia, Kronos, die von der Mutter gefertigte Sichel und die Komplizenschaft von Mutter und Sohn hinsichtlich der Kastration des Vaters, die abgeschnittenen und ins Meer geworfenen Hoden – all dies und die übrigen mythologischen Details sollten sich also in der Psyche finden lassen und vom Unbewussten jederzeit abgerufen werden können? Und dies nur, falls der Wachtraum des Jungen sich tatsächlich auf die Sichel zur Kastration bezog – denn es ist schwer vorstellbar, dass ein Junge in diesem Alter mythologische Referenzen wie diese liefert, deren Themen doch eher zu Freuds persönlichen Obsessionen passen.
    Freud hatte recht: Das symbolische Denken ist nicht logisch. Es ist fantastisch, magisch, analogisch, projektiv, okkult und gehorcht anderen Gesetzen als der Vernunft. Es folgt einer unvernünftigen, unlogischen Ordnung und besteht aus Wortspielen, Homophonien, semantischen Verschiebungen, bestimmten, von den Bewohnern der letztlich kindlichen Fantasiewelt sanktionierten Begriffen. In seinem Demokrit -Text schrieb Nietzsche, der wahre Materialist lehre seine Schüler, sich mit der gegebenen Welt zu bescheiden. Vor diesem Hintergrund war Freud unbestreitbar der größte antimaterialistische Philosoph des 20. Jahrhunderts.

III.
Der Diwan – Ein fliegender Teppich aus Lachgas
    »Von dem Erwerb hängt meine Stimmung auch
sehr ab. Geld ist Lachgas für mich.«
    Sigmund Freud, Brief an Wilhelm Fließ, 21. September 1899
( Briefe an Wilhelm Fließ, S. 411)
     
     
    Freud hatte eine Welt erschaffen, und wie alle Romanschriftsteller oder Dichter erfand er deren Regeln und gab ihr eine literarische Formel. Doch darüber hinaus leitete er eine Therapieform aus ihr ab, weshalb man die Psychoanalyse ein Zwitterwesen nennen muss: Als die Psychoanalyse ist sie eine von Freud erfundene Lehre, aber man kann sich auch

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