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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Schmuckkästchens vor dem (libidinösen) Brand eines fast Fünfzigjährigen wohl eher bedeutet, dass Dora ihm entkommen als dass sie sich ihm hingeben wollte.
    Glaubt man Freud, so fand Dora nach der Therapie ihren Frieden. Sie heiratete, löste sich von ihrem Vater und führte ein ganz normales Leben. So behauptete Freud es wenigstens im letzten Satz dieser umfangreichen Fallstudie. Doch nichts davon traf zu. Eineinhalb Jahre nach Freuds beschämender Diagnose, die den Lüstling freisprach und sie selbst zur Schuldigen machte, kehrte Dora mit einem Nervenleiden des Gesichts zu Freud zurück, das dieser als späte Reue über die Ohrfeige interpretierte, die sie dem alten Lustmolch gegeben hatte! Die Reue deutete Freud als nachträglichen
Beweis, dass sie tatsächlich mit dem Freund des Vaters hatte schlafen wollen. So hatte er Dora zurecht als Hysterikerin kategorisiert, obwohl diese natürlich alles abstritt.
    Er fügte hinzu, er sei damals gerade zum Professor ernannt worden, und diese über die Presse verbreitete Tatsache könne Dora nicht entgangen sein. Indem sie mit ihrem Nervenleiden in seine Praxis kam, habe sie ihre Aggressionen gegen den Freund des Vaters auf ihn, auf Freud selbst, übertragen! Niemand schien zu merken, dass der kaum kaschierte und in der Presse veröffentlichte Fall Dora sich wie ein Rachefeldzug Freuds liest, der gekränkt darüber war, dass die junge Frau seinen mindestens zweifelhaften Deutungen widersprochen und die Kur am 31. Dezember 1900 selbst beendet hatte. Zwei Redaktionen lehnten die Veröffentlichung der Fallstudie ab, weil sie die ärztliche Schweigepflicht verletze. Die Geschichte erschien schließlich in leicht veränderter Form, aber so, dass die Identität der Patientin immer noch erkennbar war.
    Jahre später hatte Dora ein Gallenleiden, hinkte und hatte Schwindelanfälle. Hinzu kamen Verdauungsbeschwerden, die sie lange vernachlässigt hatte und die sich schließlich als ein zu spät erkannter Darmkrebs herausstellten. Sie starb 1945. Als Freud ihre Geschichte für die Veröffentlichung niederschrieb, freute er sich in einem Brief an Fließ vom 25. Januar 1901: »Es ist immerhin das Subtilste, was ich bis jetzt geschrieben, und wird noch abschreckender als gewöhnlich wirken.« ( Briefe an Wilhelm Fließ, S. 476) Und so war es tatsächlich.
     
    Die zweite berühmte Fallstudie betraf den Kleinen Hans. Der Sohn eines Musikwissenschaftlers und einer Schauspielerin wurde nach Freuds Prinzipien erzogen, und Freud zählte die Eltern in Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben zu seinen »nächsten Anhängern« (Bd. VII, S. 244). Der Sohn erlebte also keine Frustrationen, die Traumata hätten auslösen können, keine unterdrückte Sexualität, keine Kastrationsdrohungen, keine Schuldzuschreibungen
gegenüber dem sexuellen Körper und lief so auch nicht Gefahr, eine Neurose zu entwickeln. Der Vater war begeisterter Anhänger der Psychoanalyse und nahm regelmäßig an den Mittwochssitzungen teil. Er notierte die Träume seines Sohnes, achtete auf alles, was dieser sagte, und füllte viele Hefte mit Beobachtungen über ihn.
    Obwohl die Eltern aufgeklärt waren, benutzten sie gewisse Umschreibungen. So entdeckte die Mutter, dass ihr Sohn onanierte, und drohte ihm, der Doktor werde kommen und ihm seinen »Wiwimacher« (ebd., S. 245) abschneiden. Als die Schwester geboren wurde, erklärten die Eltern, der Storch habe sie gebracht. Die Anwendung der freudschen Lehre innerhalb der Familie hatte also Grenzen, womit die Hagiographen erklären, dass selbst ein nach Freuds Prinzipien erzogener Fünfjähriger eine Neurose ausbilden konnte.
    Der Kleine Hans entwickelte die Phobie, von einem Pferd gebissen zu werden. Er hatte auch Angst vor den Stürzen der Pferde, wie sie sich auf den gepflasterten Wiener Straßen häufiger ereigneten. Man stelle sich aus der Perspektive eines kleinen Kindes vor, wie ein Pferdewagen mit Karacho über die Pflastersteine rutscht. So mied der Junge alle Orte, an denen Pferde zu vermuten waren. Im Zoo zeigte er sich von den großen Geschlechtsteilen der Elefanten und Giraffen fasziniert. Um erst gar keinen Vergleich zwischen den Tieren und dem Vater aufkommen zu lassen, erklärten die Eltern ihm, die Größe des Penis stünde im Verhältnis zur Körpergröße der Tiere.
    Freud diagnostizierte, der Schnurrbart von Hans’ Vater sei dem Maulkorb eines Pferdes vergleichbar. Denn sein magisches Denken besagte ja, dass ein Ding nie das war, was es zu sein

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