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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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schien, sondern immer etwas anderes. So war das Pferd eben kein Pferd, sondern … der Vater! Der Beweis war der Schnurrbart, der eben keiner war, sondern … ein Pferdemaulkorb.
    Aufgrund des Ödipuskomplexes wolle der Kleine Hans sich mit seiner Mutter – die Freud sehr hübsch fand – sexuell vereinigen,
was wegen des Vaters aber nicht möglich sei. In diesem Zusammenhang sei auch die Kastrationsdrohung zu sehen. Die Angst vor dem Pferdebiss sei also die Angst vor der Kastration. Und auch die Sorge, ein Pferd könne stürzen, passe zu dieser Analyse.
    Jahre später bestritt der mittlerweile erwachsene Hans Freuds Interpretation. Zu diesem Zeitpunkt waren seine Eltern geschieden und er selbst Operndirektor und Regisseur. Er erklärte, die wahre Geschichte habe nichts mit Freuds sexuellen Fantasien zu tun: Am 7. Januar 1908 sei bei einem Spaziergang ein Pferd unmittelbar zu seinen Füßen gestürzt, eine für ihn traumatische Szene.
    Eine Tonne Muskelmasse stürzte auf das Pflaster, das Pferdegeschirr rasselte, die Hufe schlugen auf die Steine, das Tier versuchte sich wieder hochzukämpfen; möglicherweise waren auch Räder gebrochen und Transportgut hinuntergefallen. Man kann sich durchaus vorstellen, dass ein solcher Unfall für ein gerade einen Meter großes Kind sehr beängstigend ist und Angst vor Pferden auslösen kann, und muss die Kastrationsangst gar nicht bemühen. Selbstverständlich hatte das Kind ein paar Monate später keine Angst mehr, doch Freud interpretierte diese natürliche psychische Weiterentwicklung als therapeutischen Erfolg.
    Im Frühling 1922 war Herbert Graf alias der Kleine Hans neunzehn Jahre alt und erzählte Freud bei einem Besuch, er erinnere sich an nichts. Freuds Logik lautete: Erinnerte man sich an eine Sache nicht, so war sie wahr, denn aufgrund des Mechanismus der Verdrängung ist die nicht erinnerte Sache umso zutreffender. Hans/Herbert wusste nicht mehr, was die Analyse ergeben hatte? Das war der Beweis für ihre Richtigkeit. Den Unfall mit dem Pferd in Wien, der sich tatsächlich ereignet hatte, kommentierte Freud gar nicht erst, denn die Wirklichkeit war für ihn immer nur eine Fiktion und seine Fiktionen die Wirklichkeit.
     
    Nach einem Fall von Hysterie u nd einem von Phobie beschäftigte sich die dritte kanonische Fallstudie mit der Zwangsneurose
des Rattenmannes. Am Anfang von Bemerkungen über einen Fall von Zwangsneurose betont Freud, nicht die ganze Wahrheit sagen zu können, und zwar wegen der »indiskrete[n] Neugierde« (Bd. VII, S. 382) der Wiener. Sollten seine Aussagen also nicht immer wahrheitsgemäß sein, so liege das nur an der Redlichkeit des Verfassers, der die Anonymität seines Patienten schützen wolle! Freuds Verdrehungen der Wirklichkeit entsprangen also einer ethischen Sorge.
    Und Freud fuhr fort: Könne er das Geheimnis der Zwangsneurose nicht vollständig lüften, so liege das nicht an seiner mangelnden Intelligenz, sondern am Widerstand des Patienten! Am Ende der Fallanalyse kam er jedoch wie immer zu dem Schluss, den Rattenmann erfolgreich behandelt und geheilt zu haben. Obwohl die Details der Theorie ihm nicht ganz klar waren und er nicht genau wusste, was er behandelte, wollte er also vollständige therapeutische Ergebnisse erzielt haben.
    Doch die von Freud vernichteten Notizen beweisen, dass die Analyse nicht »etwa ein Jahr« (ebd., S. 381), sondern drei Monate und zwanzig Tage dauerte. Schon die Analyse des Kleinen Hans basierte auf von dessen Vater erstellten Aufzeichnungen, und Freud hatte den Jungen nur kurz im März 1908 getroffen. Dora hatte er nur elf Wochen lang behandelt, zwischen Oktober und dem 31. Dezember 1900. Und nun hatte also auch der Rattenmann weniger Zeit auf der Couch verbracht, als Freud behauptete. Es gab nur sieben Sitzungen! Vom Senatspräsidenten Schreber ganz zu schweigen, den Freud nie persönlich traf und nur auf dem Papier analysierte.
    Am 26. und 27. April 1908 sollte Freud einen Vortrag auf dem 1. Internationalen Kongress der Psychoanalytiker in Salzburg halten. Doch am 19. April hatte er immer noch nichts Konkretes vorbereitet, wie ein Brief an Jung vom selben Tag bezeugt: »So wird es wahrscheinlich ein Gemenge von einzelnen Beobachtungen und allgemeinen Mitteilungen im Anschluß an einen Fall von Zwangsneurose werden.« (Freud/Jung, Briefwechsel, S. 156) Ungefähr
vierzig Kollegen aus sechs Ländern warteten mit Spannung auf den Beitrag des Gründervaters, und der beschloss eine Woche vorher, den Fall

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