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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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sind; er heilte für die Legende und die Enzyklopädien, die Nachschlagewerke und für seine Schüler, doch er heilte nicht die Körper, denen er ein weiteres Mal den Rücken kehrte. Freuds Heilungen sind rein noumenal, intellektuell und theoretisch, und die Wirklichkeit zeigt, dass all jene irren, die an Freuds magische Kräfte glauben. Deshalb lohnt sich die nähere Beschäftigung mit der Geschichte dieser papiernen Heilerfolge.
     
    Ich habe mich bereits mit dem Fall Anna O. beschäftigt und gezeigt, inwiefern er die Urfiktion ist, aus der sich Freuds Heilige Schrift entfalten sollte, der die fünf genannten Untersuchungen als Evangelium hinzuzufügen sind. Diese Prototypen funktionieren wie eine Art Handbuch der analytischen Therapie. Im Vorwort zum ersten Fall – Dora – erwähnte Freud, es gefiele den Patienten womöglich nicht, wenn ihre Probleme öffentlich diskutiert würden, doch dies sei nicht von Bedeutung, denn es ginge um die Wissenschaft, die so Hilfe für künftige Patienten entwickeln könne. Auf diese Weise machte er aus seiner Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht die heldenhafte, mutige Tat eines Einzelkämpfers im Dienste der Wissenschaft.
    In Bruchstück einer Hysterie-Analyse bediente er sich dieser Argumentation, um die Offenlegung des Intimlebens von Ida Bauer alias Dora zu rechtfertigen: »Die öffentliche Meinung dessen, was man über die Verursachung und das Gefüge der Hysterie zu wissen glaubt, wird zur Pflicht, die Unterlassung zur schimpflichen
Feigheit, wenn man nur die direkte persönliche Schädigung des einen Kranken vermeiden kann.« (Bd. V, S. 164) Bei Freud wurde aus der Verletzung des ärztlichen Schweigegelübdes eine Pflicht und aus dessen Einhaltung ein feiges Verhalten.
    Eine Fußnote in Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung beschäftigt sich mit den Vorbehalten eines Patienten, der nicht wollte, dass seine Geschichte an die Öffentlichkeit gelangte: »[I]ch bediene mich seiner Mitteilung, ohne seine Zustimmung einzuholen, weil ich nicht zugeben kann [ sic ], daß eine psychoanalytische Technik den Schutz der Diskretion beanspruchen sollte.« (Bd. X, S. 110) Immerhin sagte Freud es ganz unverblümt: Die Indiskretion ist eine wissenschaftliche Tugend, die Diskretion eine Willensschwäche.
    So wird verständlich, wie Freud diesen seltsamen Satz über Dora in Zur Psychopathologie des Alltagslebens schreiben konnte. Zunächst zählte er sie zu den »armen« Leuten, die »nicht einmal ihren Namen […] beibehalten« könnten (Bd. IV, S. 269), und fuhr fort: »Als ich dann am nächsten Tag nach einem Namen für eine Person suchte, die ihren eigenen nicht beibehalten durfte, fiel mir kein anderer als ›Dora‹ ein.« (ebd.) So hieß eine Hausangestellte seiner Schwester. Auf diese Weise machte Freud seine Patienten metaphorisch zu Hausangestellten – eine Verwandlung, die für sich spricht.
    Freud sorgte sich nicht um die Intimsphäre der Patienten, die ihre Therapie teuer bezahlt, ihm beispielsweise Details aus ihrem Sexualleben anvertraut hatten und natürlich davon ausgingen, dass ihre Geheimnisse nicht in die Öffentlichkeit getragen würden, wodurch auch ihre Eltern, Freunde oder Kinder davon erfahren würden. Doch derlei triviale und vulgäre Überlegungen kümmerten Freud nicht: Gegen die Psychoanalyse als Wissenschaft war jeder Widerstand zwecklos, ging es doch um das Wohl zukünftiger Patienten. Zum Wohl der Menschheit konnte man getrost ein paar Unschuldige opfern. Die Argumentation erinnert an die Ideologien des 20. Jahrhunderts.

    Doch Freud war vorsichtig: Er veröffentlichte die Analysen zeitlich versetzt in anerkannten Fachblättern, anonymisierte die Patienten, die er zuvor angeblich geheilt hatte. »Ich kann es natürlich nicht verhindern, daß die Patientin selbst eine peinliche Empfindung verspüre, wenn ihr die eigene Krankengeschichte durch einen Zufall in die Hände gespielt wird. Sie erfährt aber nichts aus ihr, was sie nicht schon weiß, und mag sich die Frage vorlegen, wer anders daraus erfahren kann, daß es sich um ihre Person handelt.« ( Bruchstück einer Hysterie-Analyse, Bd. V, S. 165) Der Binswanger gegenüber eingestandene Drang Freuds, seinen Patienten den Hals umzudrehen, konnte, wie man hier sieht, auch sublimierte Formen annehmen.
    Kritische Historiker und autorisierte Biographen bestätigen gleichermaßen, dass Freud die Anonymität der Patienten in seinen Briefen, auf Kongressen oder bei Sitzungen der Wiener

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