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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Psychoanalyse benannt, stellte er dies 1914 in Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung richtig. An diesem unter dem Einfluss der Erlebnisse mit Adler und Jung entstandenen Text hatte er lange gefeilt, denn er wollte damit die USA erobern. Breuer gegenüber fühlte er sich nicht mehr verpflichtet, und so machte er sich zum alleinigen Erfinder der Psychoanalyse: »Denn die Psychoanalyse ist meine Schöpfung, ich war durch zehn Jahre der einzige, der sich mit ihr beschäftigte, und alles Mißvergnügen, welches die neue Erscheinung bei den Zeitgenossen hervorrief, hat sich als Kritik auf mein Haupt entladen. Ich finde mich berechtigt, den Standpunkt zu vertreten, daß auch heute noch, wo ich längst nicht mehr der einzige Psychoanalytiker bin, keiner besser als ich wissen kann, was die Psychoanalyse ist, wodurch sie sich von anderen Weisen, das Seelenleben zu erforschen, unterscheidet, und was mit ihrem Namen belegt werden soll oder besser anders zu benennen ist.« (Bd. X, S. 44)
    Freud ernannte sich damit selbst zum Erfinder, Schöpfer, Herrscher, Entdecker, Autor und Eigentümer der Psychoanalyse. Doch was wurde aus Breuer, dem 1910 noch das alleinige Verdienst um die Disziplin zuerkannt worden war? ( Über Psychoanalyse, Bd. VIII, S. 3) Er wurde zu einem Vorläufer, den man getrost vernachlässigen konnte ( Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung, Bd. X, S. 45) und der die große Entdeckung knapp verpasst habe, weil ihm der Mut fehlte, die bedeutende Rolle der Sexualität innerhalb der Ätiologie der Neurosen anzuerkennen. Freud selbst habe diesen Mut, die Kühnheit und die geistige Kraft gehabt, und nun gebühre ihm allein der Titel des Erfinders der Psychoanalyse.
    Sein Text Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung funktionierte wie ein Staatsstreich: Freud erklärte die Psychoanalyse zur eigenen und genialen Erfindung. Er dekretierte, eine Selbstanalyse, wie er sie durchgeführt habe, genüge, um Analytiker
zu werden; außerdem müsse man die Theorie der Übertragung und des Widerstands anerkennen – was Breuer als Gründungsvater definitiv ausschloss. Wer die Psychoanalyse ablehne, sei entweder krank und benötige eine Kur auf der Couch, oder er sei Antisemit. Das letzte Argument sollte Freud noch häufig heranziehen.
    Dann legte er seine Strategie zur Eroberung der Welt dar. Bereits seit 1902 hatte er Freunde rekrutiert, welche die Psychoanalyse erlernen und verbreiten sollten. Mit der Gründung der Psychologischen Mittwochsgesellschaft vergrößerte er den Kreis seiner Anhänger. 1907 kam Jung hinzu, der das Epizentrum von Wien nach Zürich verschob; außerdem zählten sich Künstler und Ärzte zu Freuds Anhängern. Freud berichtete, durch Jung habe sich die Disziplin auch für Nichtjuden geöffnet, was glücklicherweise verhindert habe, dass die Psychoanalyse als »jüdische Wissenschaft« wahrgenommen werde. Er gründete die Internationale Psychoanalytische Vereinigung, eine Zeitschrift und rief einen Kongress ins Leben. Keine andere Form der Analyse verfügte über ein derartiges Arsenal an Mitteln. So zog Freud allein in den Krieg – und gewann.
    Seither gibt es eine kanonische Definition der Psychoanalyse, die Freud 1922 in dem für Max Marcuses Handwörterbuch der Sexualwissenschaft verfassten Beitrag »Psychoanalyse« und »Libidotheorie« aufstellte: »PSYCHOANALYSE ist der Name 1) eines Verfahrens zur Untersuchung seelischer Vorgänge, welche sonst kaum zugänglich sind; 2) einer Behandlungsmethode neurotischer Störungen, die sich auf diese Untersuchung gründet; 3) einer Reihe von psychologischen, auf solchem Wege gewonnenen Einsichten, die allmählich zu einer neuen wissenschaftlichen Disziplin zusammenwachsen.« (Bd. XIII , S. 211) Wer Freuds Theorie nicht folgte und den Ödipuskomplex abstritt, konnte kein Psychoanalytiker sein, und so wurden Jung, Adler und alle anderen, die sich nicht strikt an die Lehre des Meisters hielten, geschasst.

    Freud hat die Psychoanalyse nicht erfunden, doch er hat sie in den beeindruckendsten ideologischen Hinterhalt des 20. Jahrhunderts gelockt. Sie wurde zur von Freud persönlich erfundenen Wissenschaft. Wann immer von der Psychoanalyse die Rede ist, spricht man von Freuds literarischer Psychologie. Niemandem kommt in den Sinn, dass es auch eine nicht freudsche Psychoanalyse geben könnte, in anderen Worten: eine Psychoanalyse vor Freud, vertreten zum Beispiel durch Breuer oder den zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Pierre Janet, Doktor

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