Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
308).

    Man widmete der Frage noch eine weitere Sitzung. Hier konnte Freud auf die biblische Geschichte von Onan eingehen und erläutern, inwiefern der Onanist eine inzestuöse Beziehung zur Mutter unterhält. »Symbolisch verstanden, bedeutet Onans Akt, daß er seinen Samen der Mutter (Mutter Erde) gab. Seine Sünde besteht also im Inzest.« (ebd., S. 329) Deshalb sei die Masturbation immer von Schuldgefühlen begleitet.
    Freud kannte Onans wahre Geschichte genau und machte dies gleich am Anfang seines Vortrags deutlich. Dass Onan sein Sperma auf der Erde verteilte, bedeutete die Verweigerung des realen Inzests und nicht die Ausübung eines symbolischen Inzests, denn Gott hatte ihm aufgetragen, die Frau seines verstorbenen Bruders zu schwängern. Onan hatte sich geweigert, mit seiner Schwägerin zu verkehren (was Freud hätte hellhörig machen können), und hatte deshalb so gehandelt. Doch Freud ignorierte diese Lektion bewusst und interpretierte den Inzest gegenteilig als symbolischen Inzest, indem er die Erde mit der Mutter gleichsetzte.
    Bei einer weiteren Sitzung kritisierte Freud den Gedanken, das Schuldgefühl sei religiös motiviert, »weil das Schuldbewußtsein historisch in Zeiten nachweisbar ist, wo von Religion noch keine Rede ist.« (ebd., Bd. IV, S. 57). Erinnern wir uns, dass das Schuldgefühl auf den »wissenschaftlichen Mythos« vom Vatermord und der Urhorde aus Totem und Tabu zurückgeht. Es steht also in enger Beziehung zur Inzestfantasie.
    Anlässlich der vierten Diskussion über das Thema am 24. Januar 1912 stellte Freud eine These auf, die zeigte, dass er nie wirklich von der Verführungstheorie abgerückt war: Frauen, die regelmäßig masturbierten, reaktivierten die Fantasie vom Vater, der sie in der Kindheit verführt habe. So fielen sie in eine infantile Sexualität zurück. Auch während der fünften Onanie-Debatte beharrte Freud auf der Gefährlichkeit dieser Praxis. Es lohnt sich, das entsprechende Zitat zu lesen: »Für den Schaden der Onanie spreche die Beobachtung eines völlig objektiven Beurteilers, der die spätere Verdummung der arabischen Jünglinge auf
ihre maßlose und durch nichts gehemmte Onanie zurückgeführt habe.« (ebd., S. 37f)
    Bei der letzten Sitzung zu dieser Frage mit dem Titel »Epilog zur Onanie-Debatte« (ebd., S. 86) am 24. April 1912 fasste Freud zunächst die Inhalte der vergangenen Sitzungen zusammen und fügte dann hinzu, die Masturbation verursache auch organische Schäden – ohne diese weiter zu erläutern. Sie führe zudem zu Neurosen, denn sie stehe für einen Rückfall in die kindliche Sexualität und zwinge zur Fixierung auf dieselbe. Gehe man weit genug zurück, komme man zu Ödipuskomplex und Inzestfantasie. Die zweijährige Diskussion über das Thema hatte also keinerlei Fortschritt gebracht, zumindest nicht im Vergleich zu dem 1898 veröffentlichten Text Die Sexualität in der Ätiologie der Neurosen. Freud suchte keine neuen Antworten, weil er schon alle kannte, und die Sitzungen hatten nur dazu gedient, die Thesen aus seinem Artikel zu bestätigen.
    Damals riet er zu einer »Abgewöhnung« ( Die Sexualität in der Ätiologie der Neurosen, Bd. I, S. 505) der Onanie in Krankenhäusern unter regelmäßiger Kontrolle durch Ärzte. Freud wollte gar nicht wissen, weshalb jemand diese einsame Form der Sexualität pflegte. Er hatte sie für pathologisch erklärt, hatte ihre Rolle innerhalb der Entstehung der Neurosen festgestellt und sie aus dem unerfüllbaren Wunsch nach der Vereinigung mit der Mutter hergeleitet. Wie aber wollte der Mann, der sich als Erfinder der Psychoanalyse und erfolgreicher Therapeut ausgab, die armen, wegen einer Nichtigkeit für geisteskrank erklärten Menschen entwöhnen? Etwa durch Hypnose? Durch Breuers Methode oder durch Handauflegen? Oder sollten sie sich auf die Couch begeben?
    Keineswegs. Freuds Behandlungsinstrument durften wir bereits kennenlernen: Es war der Psychrophor! In einem Brief an den Psychoanalytiker Binswanger, der Freuds Lehre mit Husserls Phänomenologie verbinden wollte, riet er einem Patienten zu dieser Methode. Wir erinnern uns, dass der Psychrophor eine Art
Katheter war, mit dem kaltes Wasser in die Harnröhre gespült wurde. In einem anderen Brief vom 21. April 1910 schrieb Freud: »Ich glaube nicht, daß ihm die Sondierung schaden kann, sie wird ihm vielmehr die Onanie ersetzen, von der Onanie abhalten« (Freud/Binswanger, Briefwechsel, S. 41). So viel zu einer revolutionären medizinischen

Weitere Kostenlose Bücher