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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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die Frau aber der Untermensch. Der Phallus war Herr über den fehlenden Penis.
    Ohne sich um Beweise für seine Behauptungen zu bemühen, machte Freud weiter: Die Entdeckung des fehlenden Penis führe zum Wunsch nach dem fehlenden Penis. Er schrieb in diesem Zusammenhang von Narben, vom Gefühl der Unterlegenheit und der narzisstischen Kränkung. Das kleine Mädchen hoffe, das ihm eines Tages die Gnade zuteil werde, selbst einen Penis zu haben. Doch im Rahmen der Verleugnung könne es auch behaupten, einen zu besitzen, und sich folglich wie ein Mann benehmen. Die kritische Forschung konnte nachweisen, dass dieser Text mit dem Titel Ein Kind wird geschlagen stark von Freuds Analyse der eigenen Tochter beeinflusst ist.
    Freud beschäftigte sich mit diesen Fragen also vor dem Hintergrund weiblicher Homosexualität. Die Erkenntnis, keinen Penis zu haben, ließe den jungen Mädchen drei Möglichkeiten: Sie könnten ihre Sexualität ablehnen, Ressentiments gegen die
Mutter und Liebe zum Vater entwickeln; sie könnten die Kastration verleugnen und sich dem weiblichen Schicksal entziehen, indem sie homosexuell würden; oder sie könnten den Vater als Objekt wählen und versuchen, ein Kind von ihm zu bekommen. Wie soll man hier nicht an Anna Freud denken, deren Schicksal Freuds Theorie für allgemeingültig erklärte?
    Immer noch ohne Beweise behauptete Freud, mit dem Verzicht auf den Penis korrespondiere der Wunsch nach einem Kind. Man könnte nun meinen, die Frau suche den potentiellen Vater außerhalb der Familie, doch Freud hatte eine andere Theorie. Das Mädchen »gibt den Wunsch nach dem Penis auf, um den Wunsch nach einem Kinde an die Stelle zu setzen, und nimmt in dieser Absicht den Vater zum Liebesobjekt.« ( Einige psychische Folgen des anatomischen Geschlechtsunterschieds, Bd. XIV, S. 27 f) In dieser Konstellation entstünde Eifersucht auf die Mutter. Freud fiel also wieder auf die Füße: Der Ödipuskomplex funktionierte nun für Männer und für Frauen und führte in beiden Fällen zum Wunsch des Kindes nach Vereinigung mit dem gegengeschlechtlichen Elternteil und zum Gefühl der Rivalität gegenüber dem gleichgeschlechtlichen Elternteil.
    Der Unterschied in der ödipalen Entwicklung offenbare ein besonderes Merkmal der Frauen: Sie seien dem Über-Ich weniger stark unterworfen. Deshalb gelte: »Charakterzüge, die die Kritik seit jeher dem Weibe vorgehalten hat, daß es weniger Rechtsgefühl zeigt als der Mann, weniger Neigung zur Unterwerfung unter die großen Notwendigkeiten des Lebens, sich öfter in seinen Entscheidungen von zärtlichen und feindseligen Gefühlen leiten läßt, fänden in der oben abgeleiteten Modifikation der Über-Ichbildung eine ausreichende Begründung.« (ebd., S. 29 f) Ungeachtet ihrer Komplexität läuft Freuds Theorie letztlich doch auf zwei misogyne und phallokratische Gemeinplätze hinaus: Frauen haben keinen Gerechtigkeitssinn und sind von ihren Gefühlen und Leidenschaften bestimmt anstatt von Vernunft und Intelligenz. Der gern als fortschrittlich hingestellte Philosoph kam zu dem
Schluss, der »Widerspruch der Feministen, die uns eine völlige Gleichstellung und Gleichschätzung der Geschlechter aufdrängen wollen« (ebd., S. 30), sei völlig unangebracht.
    In Über die weibliche Sexualität bestätigte Freud diese Thesen. Ausgehend von der Anatomie als Schicksal stellte er Überlegungen zur Bisexualität an. Die Vagina begriff er als genuin weibliches, die Klitoris als Residuum des männlichen Organs. Deshalb hätten die Frauen eine doppelte Sexualität. Um den Übergang zur weiblichen Sexualität zu meistern, müsse das Mädchen das Masturbieren  – also die Beschäftigung mit dem männlichen Relikt – zugunsten der sogenannten normalen Sexualität mit vaginalem Lustempfinden aufgeben. In Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie erläuterte Freud, dass ein gescheiterter Übergang von der klitoralen zur vaginalen Phase bei Frauen zu vielerlei Neurosen führe, insbesondere zur Hysterie.
    Freud setzte also eine Art ontologische Beschneidung voraus. Denn wie sonst war diese Spaltung und moralische Verurteilung möglich, die aus dem klitoralen Lustempfinden einen verbotenen, weil männlich konnotierten Genuss machte? Wie sollte eine Frau die Klitoris von der sexuellen Lust ausnehmen und akzeptieren, dass nur die Vagina als erogene Zone der Erwachsenen erlaubt war? Freud hatte nun ein Argument gefunden, das besser geeignet war, die Frauen von der Masturbation abzuhalten, als der

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