Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert
Errungenschaft, die dazu diente, die Mittellosigkeit der Couch zu kaschieren.
IV.
Der verkümmerte Penis der Frauen
»[D]ie Anatomie ist das Schicksal.«
Sigmund Freud, Beiträge zur Psychologie
des Liebeslebens (Bd. VIII, S. 90)
Sein Leben lang fühlte Freud sich von seiner Mutter sexuell angezogen. Das ging so weit, dass er diese Anziehung zur Grundlage einer allgemeinen Theorie über den Ödipuskomplex machte. Er heiratete ein junges Mädchen, deren Schwester er den Hof machte, und wurde zum Liebhaber seiner Schwägerin – wir erinnern uns, dass diese mit Familie Freud unter einem Dach lebte und ihr Zimmer nur durch das Schlafzimmer des Ehepaars betreten und verlassen konnte. Mit seiner jüngsten Tochter unterhielt er eine symbolisch inzestuöse Beziehung, indem er sie einer Psychoanalyse unterzog und ihr während seiner langen Krankheit die Rolle der Pflegerin zuwies, die er der eigenen Frau verweigerte. Er machte aus seiner Tochter eine Antigone. Er konnte durch die Analyse bis ins kleinste Detail verfolgen, wie Anna zunächst die Männer ablehnte und dann homosexuell wurde. Er analysierte auch die Geliebte seiner Tochter und deren Kinder. Zusammengefasst lässt sich sagen: Freuds reale Beziehungen zum weiblichen Geschlecht waren zumindest nicht geradlinig.
Auch seine Theorien leiden unter diesen Verzerrungen. Als Freud John Stuart Mills feministische Essays übersetzte, ließ er keine Gelegenheit aus, die fortschrittlichen Thesen des utilitaristischen Philosophen zu geißeln. Denn für ihn galt: »[D]ie Anatomie ist das Schicksal« ( Beiträge zur Psychologie des Liebeslebens, Bd. VIII, S. 90), und die Frauen waren eben ihrer weiblichen Anatomie
unterworfen. Wir schreiben das Jahr 1912 – Simone de Beauvoir war gerade vier Jahre alt.
Das Zitat stammt aus dem zweiten Text der Beiträge zur Psychologie des Liebeslebens; der erste war betitelt: Über einen besonderen Typus der Objektwahl beim Manne und 1910 erschienen. 1918 veröffentlichte Freud Das Tabu der Virginität. In der Zusammenschau ergibt sich eine misogyne, phallokratische und homophobe Theorie. Freud war tatsächlich der Meinung, Frauen sollten keinen Beruf ausüben und nicht finanziell unabhängig sein. Vielmehr sollten sie gute Ehefrauen und Mütter sein. Die weibliche Physiologie sei im Vergleich zum phallischen Modell nicht vollständig ausgebildet. Freud glaubte auch, die normale Disposition des Menschen sei die monogame, eheliche Heterosexualität und hielt Homosexualität für das Ergebnis einer unvollendeten Libidoentwicklung. Die Natur habe den Frauen Schönheit, Charme und Gutherzigkeit geschenkt, und damit hätten sie sich zufriedenzugeben – das schrieb er am 15. November 1883 an seine Verlobte.
In Das Tabu der Virginität verbreitete Freud den misogynen und phallokratischen Gemeinplatz, eine emanzipierte Frau sei den Männern gegenüber stets feindlich gesinnt. Eine nach Freiheit strebende Frau bedrohe die ranghöhere Stellung des Mannes. Weibliches Verlangen nach Autonomie setzte er mit einer Kastrationsdrohung gleich. Und den theoretischen Hintergrund lieferte er gleich dazu: Die Frauen wünschten sich einen Penis; ihre Animosität gegen die Männer erkläre sich aus dem Neid. Das erstrebenswerte Modell war also der mit einem Phallus ausgestattete Mann; für Freud war der Penis das Gesetz.
»Hinter diesem Penisneid kommt nun die feindselige Erbitterung des Weibes gegen den Mann zum Vorschein, die in den Beziehungen der Geschlechter niemals ganz zu verkennen ist, und von der in den Bestrebungen und literarischen Produktionen der ›Emanzipierten‹ die deutlichsten Anzeichen vorliegen.« ( Das Tabu der Virginität, Bd. XII, S. 176) Nachdem Ferenczi die Entstehung
dieser Erbitterung erarbeitet hatte, folgte ihm Freud auf dem Fuße und nahm an, die physische Unterlegenheit der Frau im Geschlechtsakt zu Beginn der Menschheitsgeschichte habe sie zwangsweise dem Mann unterworfen. Dies habe Spuren in ihrem Unbewussten hinterlassen; sie stehe dem Mann also aus phylogenetischen Gründen feindselig gegenüber.
Für einen Phallokraten ist der Phallus der wichtigste Begriff in seinem Weltbild. Insofern verdiente Freud den Titel auf jeden Fall. In Die Frage der Laienanalyse schrieb er: »[D]as Geschlechtsleben des erwachsenen Weibes ein dark continent für die Psychologie. Aber wir haben erkannt, daß das Mädchen den Mangel eines dem männlichen gleichwertigen Geschlechtsgliedes schwer empfindet, sich darum für minderwertig
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