Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert
hält, und daß dieser ›Penisneid‹ einer ganzen Reihe charakteristisch weiblicher Reaktionen den Ursprung gibt.« (Bd. XIV, S. 241)
Der Penis als Richtmaß des Sexuallebens; das Fehlen des Penis als Leid der Frauen; die durch das Geschlechtsteil legitimierte Herrschaft der Männer; die Unterlegenheit der Frauen aufgrund des anatomischen Unterschiedes und der scheinbar dunkle Kontinent der weiblichen Psychologie als Folge dieses Mangels – es zeigt sich deutlich, dass ein Theoriegebäude, welches den Körper grundlegend ablehnt und ihn nun durch die Hintertür doch wieder hereinlässt, die Verdrängung zu Freuds Problem macht – und keineswegs zum Problem der Frauen.
Das Problem der Frauen besteht nach Freud darin, dass sie keine Männer sind! Dies bezeugen die Texte Einige psychische Folgen des anatomischen Geschlechtsunterschieds (1925) und Über die weibliche Sexualität (1931). Hier entdecken wir plötzlich einen Freud, der sich über die Anatomie und den realen Körper Gedanken machte. Er, der sein Leben lang eine Metapsychologie auf Allegorien, Metaphern und Konzepte gegründet hatte, blickte nun den Frauen zwischen die Beine und staunte, weil er dort nicht fand, was er bei sich selbst sah. Dass die Frau keinen Penis hat, hielt er für die Quelle all ihrer Geheimnisse und Leiden.
Der Text von 1925 beschäftigte sich mit dem Ödipuskomplex bei kleinen Mädchen. Freud hatte ihn für den IX. Kongress der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung in Bad Homburg geschrieben, den Vortrag jedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht halten können. Deshalb hatte seine Tochter den Text vorgelesen. Für einen kleinen Jungen war die Situation bekanntlich einfach: Er will sich sexuell mit der Mutter vereinigen und den Vater, der ihm dies verbietet, symbolisch töten. Will sich laut Freud nun das kleine Mädchen umgekehrt mit dem Vater vereinigen und sich der Mutter entledigen? Jung beschrieb die Entwicklung junger Mädchen mit dem Elektrakomplex – was war davon zu halten?
Wer die folgenden Zeilen ließt, muss an Freuds Beziehung zu seiner Tochter Anna denken: »Jeder Analytiker hat die Frauen kennengelernt, die mit besonderer Intensität und Zähigkeit an ihrer Vaterbindung festhalten und an dem Wunsch, vom Vater ein Kind zu bekommen, in dem diese gipfelt. Man hat guten Grund [ sic ] anzunehmen, daß diese Wunschphantasie auch die Triebkraft ihrer infantilen Onanie war, und gewinnt leicht den Eindruck, hier vor einer elementaren, nicht weiter auflösbaren Tatsache des kindlichen Sexuallebens zu stehen.« ( Einige psychische Folgen des anatomischen Geschlechtsunterschieds, Bd. XIV, S. 22 f) Vielleicht ist diese Theorie während der Sitzungen des Vaters mit seiner Tochter entstanden. Sie trifft zu – aber auf wen noch außer auf Freud und Anna?
Wie entsteht nun laut Freud der Penisneid? Das Mädchen »bemerkt den auffällig sichtbaren, groß angelegten Penis eines Bruders oder Gespielen, erkennt ihn sofort als überlegenes Gegenstück seines eigenen, kleinen und versteckten Organs und ist von da an dem Penisneid verfallen.« (ebd., S. 23) Die Entdeckung, dass ihm ein Penis fehlt, genügt dem Mädchen also, um Neid auf den fehlenden Penis zu entwickeln. Das also ist hier im freudschen Sinne zu verstehen.
Das Geschlechtsteil des kleinen Jungen konnte natürlich nur auffällig und groß angelegt sein, während er den Penisersatz
des kleinen Mädchens, die Klitoris, als klein und versteckt beschrieb. In Abriß der Psychoanalyse setzte Freud diese Charakterisierung fort und stellte »den ausgebildeten Organen des einen Geschlechts« die »verkümmerten, oft nutzlos gewordenen Rudimente des anderen« (Bd. XVII, S. 115) gegenüber. Einige Seiten weiter sprach er vom »Genita[l]« des kleinen Mannes im Vergleich zum »verkümmerten Penis« (ebd., S. 120) des Mädchens.
Entdecke ein kleiner Junge die Klitoris des Mädchens, so zeige er sich unentschlossen und nicht übermäßig interessiert; er sehe gar nichts oder verleugne, was er sehe. Später begreife er unter dem Druck der Kastrationsdrohung, worum es gehe. Masturbiere er dann oder begehre die Mutter, so wisse er, was ihn erwarte, nämlich ein Mädchenkörper, ein Unterleib ohne Phallus, kastriertes Fleisch. In Einige psychische Folgen des anatomischen Geschlechtsunterschieds wird die Frau mit einem »verstümmelten Geschöpf« (Bd. XIV, S. 24) gleichgesetzt. So erscheint der weibliche Körper als Strafe. Für Freud war der Stammesvater der Übermensch,
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