Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert
einlösen. Sie zeigt, dass die Legende von Freud als einsamem, verkanntem Genie keine Sekunde lang aufrechtzuerhalten ist. Schon nach kurzer Zeit wurden seine Theorien weltweit diskutiert. Douville beweist das durch ganz neutral vorgetragene Informationen. Er leistet mit dem Katalog trockener Fakten eine echte Entmythologisierung.
Eine politisch korrekte Biographie über Freuds Tochter hat Uwe Henrik Peters mit Anna Freud vorgelegt (Kindler, 1979). Im gleichen Geist entstanden die Biographie Madame Freud von Gérard Badou (Payot, 2006) und Gabrielle Rubins Le roman familial de Freud (Payot, 2002). Die Themen sind spannend, die beiden Bücher jedoch recht dürftig. Sie haben hagiographischen Charakter und setzen insofern Jones’ Arbeit fort. Leider fehlen bislang wirklich historische Biographien über Freud, Anna, Martha und Minna, die keine Klischees reproduzieren. Doch weil viele Dokumente in den Archiven nach wie vor unter Verschluss gehalten werden, ist seriöse Forschung über diese Themen kaum möglich. Solange die Freudianer den Zugang zu den Archiven kontrollieren, darf man annehmen, dass sie etwas zu verbergen haben – etwas, das kritische Arbeiten zur Psychoanalyse rechtfertigen
würde. Beispielsweise sind bestimmte Archive der Library of Congress in Washington bis 2103 unzugänglich. Dass man historische Untersuchungen über Freuds Legende unmöglich macht, muss einfach bedeuten, dass es etwas zu verbergen gibt!
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Mit den Konservativen recht haben oder mit den Linken falsch liegen? Nachdem Albert Camus das Sowjetregime wahrheitsgemäß als kriminell bezeichnet hatte, musste er sich von Sartre anhören, die positive Aufnahme seines Buches seitens der Konservativen entwerte es – womit er zu verstehen gab, dass die Linken recht und die Konservativen unrecht hätten. Sartre konnte nicht verwinden, dass »die Kapitalisten und die Bourgeoisie« Camus’ Analyse zustimmten. Simone de Beauvoir schrieb in La Pensée de droite aujourd’hui: »Die Wahrheit ist eins, Fehler sind vielfältig. Es ist kein Zufall, dass die Konservativen für den Pluralismus sind.« Das Zitat stammt aus Faut-il brûler Sartre? (Idees-Gallimard, S. 85). Camus gab Sartre zur Antwort: »Man urteilt über die Wahrheit eines Gedankens nicht danach, ob er rechts oder links steht, und noch weniger danach, was die Rechte oder die Linke daraus macht. Wenn ich die Wahrheit aufseiten der Konservativen sähe, stünde ich dort.«
Wir erliegen alle dem bedauerlichen Missverständnis, die Wahrheit gehöre einem bestimmten politischen Lager an, und die andere Seite irre sich folglich. Das muss ich deutlich machen, gerade weil ich links stehe. Wenn man ein politisches Lager bevorzugt, kann man kein freier Mensch sein – das verhindern beide Lager gleichermaßen. Doch wie dem auch sei – Camus hat uns den Weg gezeigt: »Wenn ich die Wahrheit aufseiten der Konservativen sähe, stünde ich dort.« Diesem wunderbaren Satz stimme ich zu.
Deshalb müssen wir uns mit der Kritik der Psychoanalyse
vonseiten der Konservativen auseinandersetzen. Angenommen, ein politisch konservativer Autor schreibt, Freud habe Dokumente vernichtet, die seinen Irrtum bei der Medikation des später verstorbenen Freundes Fleischl-Marxow beweisen. Müssen wir dann annehmen, dies sei falsch, nur weil der Autor ein Konservativer ist? Einige der bekennenden Tempelhüter unter den Historikern der Psychoanalyse würden diese Frage mit Ja beantworten, denn für sie ist ein konservativer Autor immer ein Lügner, und ein linker Autor sagt immer die Wahrheit. Man kann sich vorstellen, welche Auswirkungen derlei Unfug auf die Qualität der französischen intellektuellen Debatte hat! Und auf die Chancen für den geschichtswissenschaftlichen Fortschritt. Viele ehemalige Sympathisanten der KPF zur Zeit Stalins, des Marxismus-Leninismus, der Achtundsechziger oder der maoistischen Phase der École normale supérieure in den siebziger Jahren halten nach wie vor an der doktrinären Ideologie fest und sind unfähig, sich unbestreitbaren historischen Wahrheiten zu beugen, wenn sie von Konservativen vorgetragen werden.
Ich habe also kritische Bücher konservativer Autoren über die Psychoanalyse gelesen und beurteile sie nicht nach der Zugehörigkeit ihrer Verfasser zu einem politischen Lager, sondern nach ihrer Qualität. Gérard Zwangs La Statue de Freud (Robert Laffont, 1985) attestiere ich zweierlei: Zum einen die Fähigkeit, Freuds Denken auf mehreren hundert Seiten objektiv
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