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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Heimlichkeit der gleichen seelischen Konstruktion.« ( Briefe 1873–1939, S. 381) Sophie zeugt von dieser klaren Bewusstheit; sie verkörpert die seelische Konstruktion.
    Im Januar 1913 heiratete Sophie Max Halberstadt. Im September desselben Jahres war Freud mit der unvermeidlichen Tante Minna in Rom und bezeichnete sich in einer Postkarte an Max als »verwaisten Vater«. Wir lesen richtig: verwaist. Indem er Sophie heiratete, beraubte Max Halberstadt Freud seines Besitzes. Und er konnte nun mit ihr schlafen. Doch Freud wollte sich nicht nehmen lassen, worauf er kein Recht hatte. Mit dem Wort Waise
beruft Freud sich auf das gleiche Recht wie sein Schwiegersohn: auf die sexuelle Inbesitznahme, auf das Verfügen über den Körper, auf die Teilhabe an der Intimität einer Person.
    Eigentlich ist eine Waise jemand, der Vater, Mutter oder beide Eltern verloren hat, und nicht ein Vater, der des Sohn oder der Tochter beraubt ist. Woher nahm Freud das Recht, dieses inzestuöse Privileg zu reklamieren? Wie kam er auf die Idee, ein Vater habe an seiner Tochter, was ein Ehemann durch Heirat erlangt? Was veranlasste den Begründer der Psychoanalyse, der alles auf Sexualität und Libido zurückführte, solange es nicht ihn selbst betraf, blind wie Ödipus etwas Derartiges zu schreiben? Wie ist es zu erklären, dass dem Autor von Zur Psychopathologie des Alltagslebens ein solches psychopathologisches Eingeständnis herausrutschte? Freud sollte eine Waise sein, weil Sophie geheiratet hatte? Der Vater hatte keine Tochter mehr, weil sie nun im Bett eines anderen Mannes schlief? Das liefert genug Material, um sich über Freuds Beziehung zu seiner zweitjüngsten Tochter Gedanken zu machen.
    Sie sollte sein Lieblingskind sein; er nannte sie sein »Sonntagskind«. Doch sie starb bereits 1920 mit sechsundzwanzig Jahren an der Spanischen Grippe. Sie hinterließ zwei Kinder; das jüngste war erst dreizehn Monate alt. Ihr älterer Sohn, Freuds Enkel, folgte seiner Mutter schon bald ins Grab.

VI.
Geboren im Zeichen der Hysterie
    »Wenn es ein Sohn gewesen wäre, hätte ich Dir telegraphische
Nachricht gegeben, denn er – hätte Deinen Namen getragen.
Da es ein Töchterchen namens Anna geworden ist,
kommt es bei Euch verspätet zur Vorstellung (per Post).«
    Sigmund Freud, Brief an Wilhelm Fließ, 3. Dezember 1895
( Briefe an Wilhelm Fließ, S. 159)
     
     
    Vor diesem onomastisch symbolträchtigen Hintergrund wurde am 3. Dezember 1895 Anna geboren. Sie war die Anti-Sophie. Ihr Name war keine Hommage an irgendjemanden, sie hatte keine früheren Lehrer als Ersatzväter, verwies nicht auf Freuds jüdisches Seelenleben und verkörperte auch nicht den Inbegriff des puritanischen Cäsarismus. Und – so gab Anna selbst zu – sie hätte nie das Licht der Welt erblickt, wenn ihre Eltern Verhütungsmittel benutzt hätten, die diesen Namen verdienten. Die zukünftige Kinderpsychoanalytikerin Anna wusste, dass sie kein Kind der Liebe war.
    Ein Brief Freuds an Fließ lässt durchblicken, dass das Kind Fließ’ Vornamen Wilhelm erhalten hätte, wäre es ein Junge geworden. Kennt man den Briefwechsel der beiden Männer und weiß man um deren tiefe Beziehung (oder gar Liebe), so erstaunt es, dass Freud hier nicht erkannte, was er bei anderen so leichtfertig diagnostizierte. Er stellte diese Beziehung nie in einen Zusammenhang mit verdrängter Homosexualität.
    Und doch schrieb er Fließ, kaum war ihre Freundschaft beendet, eine durch die Verdrängung erotischer Gefühle ausgelöste paranoide Psychose zu. Natürlich habe nur Fließ so für Freud
empfunden, nicht aber umgekehrt. Diese Diagnose findet sich zweimal: in einem Brief an Jung vom 3. Dezember 1910 und einem an Ferenczi vom 6. Oktober 1910. Freud schrieb, er selbst sei nicht erkrankt, da er die Leidenschaft für seinen Freund zur Theoriebildung genutzt habe. Weiter heißt es: »Ein Stück homosex. [ueller] Besetzung ist eingezogen und zur Vergrößerung des eigenen Ichs verwendet worden. Mir ist das gelungen, was dem Paranoiker mißlingt.« (Freud/Ferenczi, Briefwechsel, Bd. I/1, S. 313) Anders gesagt, es gab zwar eine homosexuelle Komponente in dieser Beziehung, aber Fließ verdrängte sie und wurde paranoid, während Freud sie in Energie zur Entwicklung der Psychoanalyse umwandelte. Wir erinnern uns, dass das Ende der Freundschaft nicht von Freud ausging.
    Im Briefwechsel der Freunde spielte Bisexualität eine große Rolle. Als Theorie ermöglichte sie Freud, seine Ätiologie der

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