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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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auch keine Hilfe. Doch wer außer ihm hätte das gekonnt? Annas Mutter? Freud und Anna hielten sie stets auf Distanz. Ihre Brüder und Schwestern? Unmöglich. Ihre Tante? Sicher nicht. Da blieb niemand übrig.
    Als 1923 bei Freud Gaumenkrebs diagnostiziert wurde, zog er die Zügel noch einmal an. Anna erfuhr es als Erste, nutzte das Wissen, um die Mutter weiter ins Abseits zu drängen, und wurde eine Art Krankenschwester des Vaters. Übrigens ließ sich Freud im gleichen Jahr mit siebenundsechzig die Samenleiter durchtrennen,
und zwar mit der Begründung, dieser Eingriff verjünge den Patienten und erhöhe die nachlassende sexuelle Leistungsfähigkeit. Die Anhänger der hagiographischen Version, der zufolge Freud der Sexualität entsagen wollte, um sich ganz auf die Psychoanalyse zu konzentrieren, müssen ihre Geschichte wohl überarbeiten. Wer dagegen eher an Freuds sexuelle Beziehung zu Tante Minna und eine Italienreise zum Zwecke der Abtreibung glaubt, versteht seine Entscheidung nur allzu gut. Scheinheilig behaupten die Hagiographen noch, der Eingriff habe ein Rezidiv von Freuds Gaumenkrebs verhindern sollen!
    Doch er musste sehr lange mit dem Krebs kämpfen, hatte um die dreißig Operationen durchzustehen und trug schmerzende Prothesen, die Anna ihm in bis zu halbstündigen Prozeduren einsetzte. In seinem Testament verlangte Freud von seinen Söhnen, zugunsten der Mutter und der Schwester auf ihr Erbteil zu verzichten. Für Anna sollte das Geld als Mitgift dienen für den Fall, dass sie heiratete, oder aber ganz zu ihrer freien Verfügung stehen. Sie war mittlerweile lesbisch – wenn nicht körperlich, so doch im Herzen. Ihre Auserwählte war die Amerikanerin Dorothy Burlingham, die 1925 nach Wien gekommen war. Sie war mit einem manisch-depressiven Mann verheiratet, der zuerst von Reik und später natürlich von Freud analysiert worden war. Gemeinsam mit der Mutter von vier Kindern kaufte Anna ein Haus. In den folgenden zwölf Jahren analysierte Freud nicht nur seine Tochter, sondern auch deren Lebensgefährtin!
    Dorothy ließ auch ihre Kinder von ihm analysieren und wurde später selbst Kinderpsychoanalytikerin. Freud riet ihr zur Scheidung. Sie setzte den Rat in die Tat um, woraufhin ihr Mann sich aus dem Fenster stürzte. Später, 1970, beging auch einer ihrer Söhne Selbstmord. Er war Alkoholiker und nahm eine Überdosis an Schlafmitteln – und zwar im Bett von Anna Freud, seiner Psychoanalytikerin und der möglichen Geliebten seiner Mutter. Dorothy schenkte Freud einstweilen einen Chow-Chow, und er schrieb im Dezember 1927 an Lou Andreas-Salomé: »Anna ist
prächtig, gut und geistig selbständig, aber sie hat kein Sexualleben.« (Freud/Salomé, Briefwechsel, S. 188) Im selben Brief fragte er, was sie wohl ohne Vater machen werde.
    In einem Brief an Ferenczi vom 12. Oktober 1928 verglich Freud Anna mit Antigone ( Brief e 1873–1939 , S. 397). Er wiederholte den Vergleich gegenüber Arnold Zweig am 2. Mai 1935 (ebd., S. 439). Man muss wohl nicht eigens erwähnen, dass Antigone dem Inzest zwischen Ödipus und Iokaste entsprang – mit anderen Worten: zwischen Freud und Amalia. Währenddessen wurde Freuds Krebsleiden unerträglich. Es roch so schlimm, dass selbst die Hunde sich von ihrem Herrn fernhielten. Als Freud den Tod nahen spürte, gestand er seinem Arzt, das Schicksal habe es gut mit ihm gemeint, indem es ihm die Anwesenheit einer solchen Frau zubillige – er sprach natürlich von Anna.
    Freud hatte lange zuvor beschlossen, sein Leben zu gegebenem Zeitpunkt selbst zu beenden. Er war erschöpft, völlig am Ende, hatte die Krankheit lange geduldig ertragen und bat seinen Arzt nun, Anna Bescheid zu sagen. Am 21. September 1939 erhielt er die erste Spritze, am nächsten Tag die zweite. Am 23. September 1939 um drei Uhr morgens starb er. Drei Tage später wurde er eingeäschert; Stefan Zweig hielt die Totenrede. Die Asche ruht auf dem Friedhof Golders Green in London. 1971 kehrte Anna, die ihr Leben lang in London als Psychoanalytikerin gearbeitet hatte, nach Wien zurück. Dort erhielt auch sie eine Medaille, auf der »Anna-Antigone« zu lesen war. In dem Haus, in dem sie auch sterben sollte, sah man sie eingehüllt in die Loden ihres Vaters. Sie starb am 9. Oktober 1982 – es heißt, sie habe niemals eine sexuelle Beziehung zu einem Mann gehabt.
     
    Zu dieser Tragödie gibt es ein kleines Postskriptum: Im August 1956 hielt ein Rolls-Royce vor Anna Freuds Haus. Der Chauffeur öffnete die Tür, und

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