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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Monat Tantiemen der legendären Marilyn Monroe in die Kassen der Anna-Freud-Stiftung in London.

Teil 3
METHODOLOGIE
    Ein Schloss in Spanien

I.
Freuds Wundertüte
    »Den materiellen Anforderungen trug ich Rechnung,
indem ich das Studium der Nervenkrankheiten begann.«
    Sigmund Freud, »Selbstdarstellung« (Bd. XIV, S. 36)
     
     
    Es konnte gezeigt werden, dass Freuds Biographie seine Theoriebildung bestimmte. Anders als uns die Legende Glauben machen will, ist sein Gesamtwerk kein Kontinuum, kein durch Selbstanalyse entstandenes, homogenes und von Widersprüchen, Sinneswandel oder Reueanflügen freies Korpus. Freuds Denken war vielmehr den Alltagsnöten, den Gesetzmäßigkeiten der eigenen Geschichte und den Zeitläuften unterworfen. Es war kein wissenschaftliches Kontinuum, sondern stand in direktem Zusammenhang mit den Lebenserfahrungen des Autors.
    Zwischen 1886 und 1939 veröffentlichte Freud über 6000 Seiten Text, die Briefwechsel nicht eingerechnet. Zunächst schrieb er viele Zusammenfassungen, Vorreden und Nachworte, Beiträge zu Konferenzen oder Notizen. Oft waren es kleinere Texte, kurze Analysen oder Artikelsammlungen, manchmal auch Vorlesungsreihen wie die Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse oder die Neuen Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Später kamen Nekrologe hinzu. Das Ganze wirkt wie ein großes Mosaik aus heterogenen Fragmenten. So haben zum Beispiel die gemeinsam mit Breuer verfassten Studien über Hysterie von 1895 nicht viel mit Abriß der Psychoanalyse zu tun, das Freud 1938 im Alter von zweiundachtzig Jahren im Londoner Exil schrieb.
    Freuds bruchstückhaft wirkendes Denken unterlag immer wieder großen Veränderungen. Meine sorgsam erhobenen Stichproben
legen den Verdacht nahe, dass sich bei ihm zu jeder Aussage auch das Gegenteil findet. Beispielsweise rühmte er zunächst die Hypnose und kritisierte sie später scharf. Noch bedeutsamer ist ein anderer Widerspruch: Der Verfechter der reinen psychoanalytischen Lehre referierte in Das Unbewußte oder in La technique psychanalytique  – einer von den französischen Herausgebern äußerst zweckmäßig zusammengestellten Auswahl freudscher Texte – ausgiebig über den rein sprachlichen Charakter seiner Therapiemethode, während er als alter Mann in seinem geistigen Testament, Abriß der Psychoanalyse, die These vertrat, die Chemie werde die Psychoanalyse eines Tages überflüssig machen (Bd. XVII, S. 108). Was hielt er nun für richtig – die ahistorische, rein geistige Lehre oder einen fortschrittsgläubigen Pragmatismus? Stand er zu seinem frühen Plädoyer für das Wort und gegen die Medikation? Oder zu dem späteren Glauben an die Überlegenheit der Medikamente? Zu Couch oder Neuroleptika? Mit Freuds Texten lassen sich beide Thesen belegen.
    Die aufmerksame Lektüre des Gesamtwerks fördert viele solcher Widersprüche zutage. Lassen wir deshalb die Konfrontation von Biographie und Werk hinter uns und vergleichen nun die Texte untereinander. Erwartungsgemäß werden wir keinen Ariadnefaden finden, den sich ein Genie von Anfang an zurechtgelegt hat, sondern labyrinthische Irrungen und Wirrungen, wenn nicht gar grobe Fehler. Das achtzehn Bände umfassende Gesamtwerk erinnert in konzeptioneller Hinsicht weniger an Schönbrunn als an den eigentümlichen Palast des Briefträgers Cheval in Hauterives mit seiner wilden Mischung architektonischer Stile.
    Ein Beispiel: Freud schrieb in »Selbstdarstellung«, er wolle »von der Behandlung Nervenkranker leben« (Bd. XIV, S. 39). Im gleichen Text bestätigte er: »Den materiellen Anforderungen trug ich Rechnung, indem ich das Studium der Nervenkrankheiten begann.« (ebd., S. 36) Wegen seiner Theorien über die männliche Hysterie und seine amateurhafte Anwendung der Hypnose habe er sich nicht mehr an der Erforschung der Hirnanatomie beteiligen
dürfen. Nun musste er eine Lösung finden. Er verzichtete also auf Forschung, Physiologie und Anatomie und erfand eine Therapieform, die ohne klassische Medizin auskam. Er wollte finden, ohne zu suchen, und sei es im eigenen Gehirn. Vom Kokain und der Couch gelangte er über Handauflegen, Elektrotherapie, Magnetismus und Hypnose zur kathartischen Methode und dem freien Assoziieren. So erinnert die Entwicklung seines Denkens an Dädalus im Labyrinth, der verzweifelt versucht, dem Minotaurus der Armut und Anonymität zu entkommen.
     
    Folgen wir Freud durch sein therapeutisches Labyrinth. Schon 1884 wollte er reich und berühmt

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