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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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werden. Martha gegenüber sprach er am 7. Januar 1885 von seinem »Jagen nach Geld, Stellung und Namen« ( Briefe 1873–1939, S. 137). Unter diesem Stern war er geboren worden, und seine Mutter hatte ihm eine große Zukunft vorausgesagt. Eine Seherin hatte Gleiches prophezeit, genau wie ein Gelegenheitsdichter in einem Café am Prater. In seinen Briefen an Fließ sprach er ständig davon. Als zukünftiger Kollege von Kopernikus und Darwin war er nun Martha Bernays begegnet und strebte bürgerliche Anerkennung, eine glückliche Ehe und kinderreiche Familie an, in der sich seine Frau entfalten und ein Leben genießen konnte, zu dem er ihr gesamtes Geschlecht bestimmt glaubte.
    Die Medizin langweilte ihn. Durch bloße Forschung konnte er nicht schnell genug nationalen oder gar weltweiten Ruhm erlangen. Denn dazu hätte er eine Entdeckung machen müssen, die diesen Namen verdiente. Auch eine akademische Karriere hatte ihre Tücken: Für das lange Warten auf einen Lehrstuhl hatte Freud einfach nicht die nötige Geduld, zumal es eines Genies nicht würdig war. Die Laborarbeit ließ nicht auf eine Karriere hoffen, da zunächst die Älteren an der Reihe waren. Freud verdiente kein eigenes Geld, häufte Schulden an und war auf Gönner wie Breuer angewiesen, den er gerade wegen dessen Großzügigkeit zum potentiellen Feind erklärte.

    Freud wollte also schnell seinen Platz im Wiener Bürgertum finden, eine geniale Entdeckung machen, Geld verdienen und heiraten. So glaubte der junge Arzt, im Kokain die Lösung seiner Probleme gefunden zu haben. Bekanntlich las er sehr viel und verschwieg das meiste von dem, was er bei anderen gelesen hatte. In einer Zeitschrift entdeckte er einen Artikel eines Militärarztes über eine neue Substanz, von der man damals so gut wie gar nichts wusste. Man verabreichte sie Soldaten und beobachtete eine körperliche und geistige Leistungssteigerung bei ihnen. Freud schrieb am 21. April 1884 an seine Verlobte: »Mehr als einen solchen glücklichen Wurf brauchen wir nicht, um an unsere Hauseinrichtung denken zu dürfen.« ( Brautbriefe, S. 82) In einer anderen Zeitschrift las er, die Substanz könne Morphium ersetzen. Eine von der Armee genutzte Droge, die sogar eine andere Droge ersetzen konnte, schien ihm äußerst vielversprechend.
    Freud besorgte sich also das berühmte Pulver, probierte es aus und nahm es bald regelmäßig. Das war im Jahr 1884, doch noch zehn Jahre später, am 12. Juni 1895, gestand er Fließ: »Ich brauche viel Kokain.« ( Briefe an Wilhelm Fließ, S. 134) Er war also mindestens zehn Jahre lang kokainsüchtig. Er verschrieb die Substanz auch seiner Verlobten und erklärte ihr von Paris aus, sie steigere das sexuelle Empfinden, was er ihr beim nächsten Zusammentreffen beweisen wolle. Freud nahm auch Kokain, um sich für die mondänen Abendveranstaltungen bei Charcot zu wappnen, wo ganz Paris ein und aus ging. Wahrscheinlich blieb der Kokainkonsum nicht ohne Folgen für Arbeit und Leben. Darauf deuten viele von Freuds Verhaltensweisen hin: die ein oder andere theoretische Aussage, mancher Begeisterungssturm für etwas, dem wenig später ein Widerruf folgte, Stimmungsschwankungen, die berühmte, von Ernest Jones höchstselbst diagnostizierte »sehr starke Psychoneurose«, Leiden wie Herzrhythmusstörungen, fehlende Libido, Paranoia all jenen gegenüber, die seinen Theorien nicht anhingen, Panikattacken, Probleme mit der Nasenscheidewand und ständige Erkältungen.

    Ich stelle deshalb die These auf, dass die wechselnden Phasen von Euphorie und Depression sich auch auf sein Denken auswirkten und wahrscheinlich schon beim Verfassen von Entwurf einer Psychologi e eine Rolle spielten. Dazu schrieb Freud am 20. Oktober 1895 an Fließ: »In einer fleißigen Nacht der verflossenen Woche, bei jenem Grad von Schmerzbelastung, der für meine Hirntätigkeit das Optimum herstellt, haben sich plötzlich die Schranken gehoben, die Hüllen gesenkt, und man konnte durchschauen vom Neurosendetail bis zu den Bedingungen des Bewußtseins. Es schien alles ineinanderzugreifen, das Räderwerk paßte zusammen, man bekam den Eindruck, das Ding sei jetzt wirklich eine Maschine und werde nächstens auch von selber gehen.« (ebd., S. 149) Und am 29. November 1895: »Den Geisteszustand, in dem ich die Psychologie ausgebrütet, verstehe ich nicht mehr; kann nicht begreifen, daß ich sie Dir anhängen konnte.« (ebd., S. 158) Im Oktober war der Entwurf noch genial, vier Wochen später allenfalls gut genug

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