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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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für den Papierkorb. Im Juni desselben Jahres hatte er Fließ seine Kokainsucht gestanden.
    Bei seinen Experimenten fand Freud heraus, dass das Kokain eine wahre Euphorie in ihm auslöste. Die Melancholie verschwand, die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit vervielfachte sich, die Neurasthenie und die depressiven Stimmungen verflogen. Wie gewöhnlich schloss er vom eigenen Fall auf die Allgemeinheit und schrieb dem Kokain von nun an die Fähigkeit zu, Neurosen und kritische psychische Zustände zu heilen, und zwar ohne abhängig zu machen – obwohl Kollegen mit besserer Beobachtungsgabe bereits auf die Suchtgefahr aufmerksam gemacht hatten. Er schien den Stein der Weisen gefunden zu haben, die Lösung aller psychiatrischen Probleme. In einem Brief an Martha spekulierte er, mit dieser Entdeckung werde er sein Glück machen.
    Beinahe ohne Hinweis auf die zugrunde liegenden Artikel gab Freud als die eigene Theorie aus, das Kokain könne das Problem der Abhängigkeit von Morphium lösen. Im Frühling 1884
experimentierte er an seinem Freund Fleischl-Marxow, der damals schon morphinabhängig war. Fleischl-Marxow versuchte, mit dem Morphium die Schmerzen am Stumpf eines amputierten Daumens, der ihm nach einem Laborunfall hatte abgenommen werden müssen, zu lindern. Der ungeduldige junge Arzt namens Freud wurde bei der Gesellschaft für Psychiatrie vorstellig und behauptete voreilig, binnen zwanzig Tagen hervorragende Ergebnisse erzielt zu haben.
    1885 schilderte Freud eine erste Version der Geschichte in dem Artikel Über die Allgemeinwirkung des Cocains. Dort war zu lesen, er könne »unbedenklich dazu raten, […] Cocain in subkutanen Injektionen […] zu geben« ( Über die Allgemeinwirkung des Cocains, S. 106). Dann behauptete er, diese Methode angewandt und den Zustand des Patienten deutlich verbessert zu haben. Dessen Morphinsucht sei völlig verschwunden. Selbstsicher tat er kund, man werde mit Kokain künftig Depression, Melancholie, Hysterie und Hypochondrie bekämpfen können.
    Fünfzehn Jahre später veröffentlichte er in der Traumdeutung eine zweite Version der damaligen Ereignisse, denn inzwischen war Fleischl-Marxow an der von Freud verschriebenen subkutanen Injektion von Kokain gestorben. Freud behauptete, er habe die Injektion explizit verboten und klar und deutlich die bloße Einnahme verschrieben. Er berichtete von einem »unglücklichen Freund, der sich mit Kokain vergiftet hat. Ich hatte ihm das Mittel nur zur internen Anwendung während der Morphiumentziehung geraten; er machte sich aber unverzüglich Kokaininjektionen.« ( Die Methode der Traumdeutung, Bd. II/III, S. 120) Wenig später kam er nochmals auf die Angelegenheit zurück: »Ich hatte Injektionen mit dem Mittel, wie gesagt, gar nicht beabsichtigt.« (ebd., S. 122) Stellt man beide Versionen der Geschichte gegenüber, lässt sich daraus Einiges über Freuds Glaubwürdigkeit ablesen.
    Denn als er bei der Gesellschaft für Psychiatrie vorstellig wurde und auch später, als er den Artikel verfasste, wusste Freud
sehr wohl um den Zustand des Freundes. Er besuchte ihn nämlich im Krankenhaus und konnte sich dort selbst davon überzeugen, dass das Kokain keinesfalls das Morphium ersetzte, die Beschwerden des Patienten nicht linderte und diesen sogar von einer zweiten Substanz abhängig machte! Regelmäßig litt der Freund an Zuckungen, Schlaflosigkeit, Niedergeschlagenheit, Delirien, Halluzinationen, verwirrten Zuständen, Verstörung und Selbstmordgedanken. All dies konnte Freud im Krankenzimmer seines Freundes selbst beobachten. Das beweisen Briefe an seine Frau, in denen er regelmäßig und detailliert über den Niedergang des Kranken berichtete. Am 12. Mai 1884 schrieb er ihr, Fleischl ginge es nicht gut und er sehe keinerlei Erfolg. Weitere derartige Aussagen gegenüber der Familie und in verschiedenen Briefen – die natürlich der kritischen Forschung nicht zur Verfügung stehen  – belegen Freuds Scheitern und Einsicht in die Erfolglosigkeit seines Therapieversuchs. Doch er musste das Fiasko unbedingt in einen Erfolg ummünzen. Das lag an dem Entwurf, dem projet originaire (um es mit Sartres existentialistischem Vokabular zu sagen), mit allen Mitteln ein berühmter Mann zu werden.
    Drei Jahre später wurde der Betrug entdeckt, und Freud vernichtete die Beweise. Der Artikel Über die Allgemeinwirkung des Cocains verschwand aus seiner offiziellen Bibliographie, die er zum Beispiel bei Bewerbungen um Professorenstellen an

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