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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Universitäten schickte. Die Hagiographen – die sich vielleicht nicht merken konnten, was sie in der Psychopathologie des Alltagslebens gelesen hatten – erklärten dieses Verschwinden mit einem Trick, den Freuds Unbewusstes ihm gespielt habe! Es ist doch bemerkenswert, dass Paul-Laurent Assouns 2009 erschienenes, 1500 Seiten umfassendes Dictionnaire des oeuvres psychanalytiques keinen Hinweis auf diesen von Freud verfassten Text enthält. Genauso bemerkenswert ist, dass die französische Gesamtausgabe in einundzwanzig Bänden praktischerweise mit Texten aus dem Jahr 1886 beginnt! Und die deutsche mit dem Jahr 1892.
    Ein besonders bemühter Psychoanalytiker eilte dem Meister
sogar mit der Erklärung zu Hilfe, Freuds Tilgen des Texts aus seiner Bibliographie sei ein unbewusster Gefallen dem toten Freund gegenüber, denn Freud habe weniger die Injektionen als vielmehr einen Phallusersatz verschwinden lassen wollen. Indem er Über die Allgemeinwirkung des Cocains in der Bibliographie »vergaß«, habe er den Freund nicht – um es höflich auszudrücken – sodomisieren wollen. In gewisser Weise hat er das letztlich doch getan.
     
    Nach dem Scheitern der Kokaintherapie eröffnete Freud 1886 seine Praxis. Dort behandelte er seine Patienten bis 1890 mit der Elektrotherapie, deren Techniken wie die Galvanisierungstherapie, Franklinisierung oder Elektroschocks schon damals seit hundert Jahren zu therapeutischen Zwecken angewandt wurden. In einem Brief an Fließ vom 24. November 1887 berichtete Freud, er nutze die »galvanische Behandlung« ( Briefe an Wilhelm Fließ, S. 4), die damals in Mode war; er strebte einen Posten an der Universität an und wollte über das Thema publizieren. Das zur Therapie nötige Material war teuer, doch ein Kollege hatte versprochen, es ihm zukommen zu lassen.
    In seinem Beitrag Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung äußerte sich Freud über diese Zeit, doch er hatte wohl Angst, sich lächerlich zu machen, und stellte seine aus wissenschaftlicher Sicht wenig überzeugende Arbeit als »physikalisch[e] Therapie« dar (Bd. X, S. 46). Das klang schon viel besser. Um diese Episode mit seiner persönlichen Legendenbildung in Einklang zu bringen, fügte Freud hinzu, er habe sehr schnell bemerkt, »daß die Erfolge der elektrischen Behandlung bei nervösen Störungen Suggestionserfolge seien« (ebd.). Eine interessante nachträgliche Deutung.
    Freud behauptete also, er sei von der »Elektrotherapie« als Beispiel für Suggestivwirkung zur Hypnose gelangt, die 1896 in die Psychoanalyse gemündet habe. Doch wie kann das sein, wenn er noch 1910 so wenig an die Wirksamkeit der eigenen revolutionären Methode glaubte, dass er laut einem Brief an Ludwig
Binswanger vom 9. April 1910 die Onaniesucht eines Patienten lieber mit einer »Sondenkur (oder Psychrophor)« behandeln wollte (Freud/Binswanger, Briefwechsel, S. 38)? Er bekundete seinen Glauben an diese extravagante Methode wohlgemerkt im selben Jahr, in dem die fünf Vorlesungen Über Psychoanalyse erschienen.
    Mit derlei verrückten Therapiemethoden versuchte man damals tatsächlich, krankhafte Verrücktheit zu behandeln. Vielleicht erscheinen späteren Generationen die heutigen Therapien für Geisteskrankheiten einst genauso bizarr, wie sich uns heute die früheren Behandlungsformen darstellen. Aus jetziger Sicht ist es jedenfalls erstaunlich, was ein Patient Freuds um 1910 über sich ergehen lassen musste. Zweifel an der Seriosität der Psychoanalyse stellen sich ein, denn Freud schrieb 1904 Die Freudsche psychoanalytische Methode, 1905 Über Psychotherapie, 1910 Die zukünftigen Chancen der psychoanalytischen Therapie und im selben Jahr Über »wilde« Psychoanalyse, doch Binswangers Patient mit den Initialen J. v. T. verordnete er eine Sondenbehandlung, im Zuge derer ein Katheter mit kaltem Wasser in die Harnröhre eingeführt wurde. Der Erfinder der um 1910 theoretisch vollendeten Psychoanalyse unterzog also im selben Jahr einen an »apathische[r] Depression« (Brief an Ludwig Binswanger, 9. April 1910; Freud/Binswanger, Briefwechsel, S. 38) leidenden Patienten einer derartigen Behandlung, obwohl dessen gravierendste Krankheitserscheinung häufiges Masturbieren war!
     
    Glaubt man dem goldenen Mythos der Psychoanalyse, so folgte auf die Elektrotherapie die Hypnose. Demnach hätte Freud bei der galvanischen Behandlung die heilende Kraft der Suggestion erkannt und sei damit zielsicher seiner großen Entdeckung näher gekommen. Die

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