Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert
Therapiesitzungen manchmal einschlief. Doch da bei diesen Sitzungen der psychoanalytischen Lehre zufolge nur das Unbewusste von Therapeut und Patient miteinander in Verbindung stehen, konnte man ihm deshalb keine Vorhaltungen machen.
Am 4. Februar 1888 schrieb Freud an Fließ, der Name Charcot führe ihm viele Patienten zu ( Briefe an Wilhelm Fließ, S. 6), von denen sich einige jedoch als widerspenstig erwiesen; sie ließen sich einfach nicht hypnotisieren. Und ein Hypnotiseur, dessen zahlende Klienten ungeachtet aller Bemühungen nicht bewusstlos werden, gibt sich doch irgendwie der Lächerlichkeit preis. So verwarf Freud die Methode. Wie dem Fuchs in der Fabel waren auch ihm die Trauben viel zu sauer, schrieb er doch in Über Psychoanalyse, er verzichte auf die Hypnose, weil sie ein »sozusagen mystisches Hilfsmittel« (Bd. VIII, S. 19) sei. So war die Wissenschaftlerehre gerettet!
Freud hatte also mit Kokain, später mit Elektrotherapie und zeitgleich mit Heilbädern behandelt. Letztere wendete er aber nicht lange an, weil sich das finanziell nicht lohnte: Die »Versendung in die Wasserheilanstalt nach einmaliger Konsultation war keine zureichende Erwerbsquelle« ( »Selbstdarstellung«, Bd. XIV, S. 40), schrieb er trocken. Zwischen 1887 und 1892 praktizierte er die Hypnose und arbeitete noch bis 1910 (!) mit dem Psychrophor. Dann wechselte er zum Handauflegen, eine Technik, die er sich bei Bernheim abgeschaut hatte.
Der französische Hypnotiseur Hippolyte Bernheim betrieb eine Praxis in Nancy. Während Charcot lehrte, die Hypnose funktioniere nur bei Hysterikern – worin ihm die Zukunft recht geben sollte –, führte Bernheim alles auf die Suggestion zurück, weshalb jeder erfolgreich hypnotisiert werden könne. Weil Freud ein schlechter Hypnotiseur war, interessierte er sich natürlich für
diese These und stattete Bernheim 1889 einen Besuch ab. Nach Charcots Buch übersetzte er nun das Hauptwerk von dessen Rivalen Bernheim: Über die Suggestion und ihre Anwendung in der Therapie. So hatte er gleich mehrere Eisen im Feuer.
In Studien über Hysterie berichtete Freud vom Handauflegen. Zur Behandlung einer Hysterikerin schlug er eine Gebärmuttermassage vor. Er selbst begnügte sich jedoch mit der Theorie, lud einen Kollegen ein, der die Handgriffe durchführte, und schrieb dann triumphierend, die Patientin sei von »einem unserer angesehensten Gynäkologen, behandelt worden, der ihr den Uterus durch Massage aufrichtete, so daß sie mehrere Monate frei von Beschwerden blieb.« ( Studien über Hysterie, Bd. I, S. 131) 1893 behandelte Freud die Symptome der Hysterie also mit Gebärmuttermassagen. Erinnern wir uns daran, dass alle guten Nachschlagewerke als Entstehungsjahr der Psychoanalyse 1896 angeben, doch Freud erwähnte bereits im Abschnitt über die Hysteriepatientin von 1893, sie habe »auf dem Diwan« gelegen (ebd., S. 134). Einigen wir uns also darauf, dass zwar das Wort »Psychoanalyse« von 1896 stammt, das Verfahren aber schon älter ist.
Sehen wir uns den Fall von Miss Lucy R. genauer an. Freud erläuterte, er überwinde den Widerstand der Patienten auf dem Diwan, indem er seinen Finger an die Augen des Kranken heranführe und verkünde, er werde gleich einschlafen. Der Patient schlafe dann aber nicht ein. Er, Freud, nutze diesen Körperkontakt mit dem einzigen Ziel, die Patienten »zum Mitteilen zu nötigen« (ebd., S. 168).
Wollte er eine unwillige Patientin dazu bringen, Details über ihr Krankheitsbild zu verraten, ging er so vor: »Ich legte der Kranken die Hand auf die Stirne oder nahm ihren Kopf zwischen meine beiden Hände und sagte: ›Es wird Ihnen jetzt einfallen unter dem Drucke meiner Hand. Im Augenblicke, da ich mit dem Drucke aufhöre, werden Sie etwas vor sich sehen oder wird Ihnen etwas als Einfall durch den Kopf gehen und das greifen Sie auf.‹«
(ebd.) Glaubt man Freud, so hatte er natürlich großen Erfolg mit dieser Methode.
1909 erklärte Freud in Über Psychoanalyse nochmals sein Vorgehen, wie er es bereits in Studien über Hysterie getan hatte, besonders im Kapitel »Zur Psychotherapie der Hysterie« (ebd., S. 252–312). Er bat den Patienten, sich auf die Couch zu legen und sich zu entspannen, und kündigte an, sobald der Druck der Hände nachlasse, werde eine Erinnerung in ihm aufsteigen. Durch das Emporkommen der verdrängten Erinnerung werde das Krankheitssymptom des Patienten verschwinden, und auf diese Weise könne er systematisch geheilt werden.
So bestand
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