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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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aber nicht zielgerichteter, auf Versuch und Irrtum beruhender Forschung. Es ist wie mit Optionen: Man fährt sich nicht fest, da man, wenn es nötig ist, einen anderen Weg einschlägt, immer begleitet von dem Gefühl umfassender Freiheit und Opportunismus. Versuch und Irrtum ist Freiheit.
    (Ich gestehe, dass ich, während ich dieses Buch schreibe, noch immer nach dieser Methode vorgehe. Vermeidung von Langeweile ist der einzig angemessene Handlungsmodus. Andernfalls ist das Leben nicht lebenswert.)
    Meine Eltern hatten ein Konto bei der größten Buchhandlung in Beirut, und ich konnte mir dort Bücher in Mengen holen, die mir grenzenlos vorkamen. Der Unterschied zwischen den Regalen der Bibliothek und dem eng begrenzten Schulstoff war riesig; damals dämmerte mir, dass die Schule eine Veranstaltung sein muss, die es böswillig darauf anlegt, Menschen ihrer Gelehrsamkeit zu berauben, indem sie ihr Wissen in ein enges Korsett ausgewählter Autoren presst. Ungefähr im Alter von dreizehn Jahren begann ich, über meine Lektürestunden Buch zu führen. Ich zielte auf einen zeitlichen Umfang von dreißig bis sechzig Wochenstunden, eine Praxis, die ich lange Zeit beibehielt. Ich las Dostojewski, Turgenjew, Tschechow, den Bischof Bossuet, Stendhal, Dante, Proust, Borges, Calvino, Céline, Schultz, Zweig (mochte ich nicht), Henry Miller, Max Brod, Kafka, Ionesco, die Surrealisten, Faulkner, Malraux (neben anderen Abenteuerschriftstellern wie Conrad und Melville; das erste Buch, das ich auf Englisch las, war Moby Dick ) und weitere Literaten, darunter auch viele weniger namhafte; dann Hegel, Schopenhauer, Nietzsche, Marx, Jaspers, Husserl, Lévi-Strauss, Levinas, Scholem, Benjamin und weitere Philosophen aufgrund ihrer unschätzbaren Eigenschaft, nicht im Lehrplan vorzukommen; und ich schaffte es, nichts von dem zu lesen, was die Schule vorgab, sodass ich bis heute keinen Racine, Corneille und andere Langweiler gelesen habe. Ich erinnere mich an einen Sommer, in dem ich mir vornahm, die zwanzig Romane von Émile Zola innerhalb von zwanzig Tagen zu lesen, jeweils einen pro Tag, und mit einiger Mühe gelang es mir auch. Möglicherweise wegen meines Eintritts in eine regimekritische Untergrundbewegung vertiefte ich mich in marxistische Studien; das meiste, was ich von Hegel weiß, eignete ich mir indirekt an, überwiegend über Alexandre Kojève.
    Als ich beschloss, nach Amerika zu gehen, nahm ich mit etwa achtzehn Jahren meinen Lesemarathon wieder auf, indem ich mir ein paar Hundert Bücher in englischer Sprache kaufte (Autoren von Trollope bis Burke, Macaulay und Gibbon, außerdem Anaïs Nin und weitere Skandalautoren, die damals in Mode waren), dem Unterricht oftmals fernblieb und meine Dreißig-bis-sechzig-Stunden-Disziplin aufrechterhielt.
    In der Schule hatte ich Folgendes festgestellt: Verfasst man Aufsätze mit reichem, literarischem, dabei präzisem Wortschatz (der natürlich auch zum vorgegebenen Thema passen sollte) und bleibt einigermaßen kohärent, dann wird das, worüber man schreibt, zweitrangig, und die Prüfer bekommen einen Eindruck vom eigenen Stil und davon, wie ernst man eine Sache nimmt. Endgültig freie Hand gab mir mein Vater, nachdem ich es als Teenager geschafft hatte, dass ein Artikel von mir in der örtlichen Zeitung veröffentlicht wurde – seine einzige Bedingung lautete: »Fall nicht durch!« Es war das klassische Hantelprinzip – in der Schule auf Nummer sicher gehen und die Lektüre nach eigenem Gutdünken auswählen; von der Schule nichts erwarten. Als ich dann später ins Gefängnis kam, weil ich während eines Studentenaufstands einen Polizisten angegriffen hatte, war mein Vater derart verstört, dass er mich machen ließ, was ich wollte. Als ich im Alter von gut zwanzig Jahren das Stadium erreichte, in dem mir Geld gleichgültig sein konnte – zu einer Zeit, da das noch sehr, sehr viel seltener war als heute, und obwohl in meiner Heimat ein Krieg tobte –, sah mein Vater den Grund dafür in der Breite an Bildung, die er mir ermöglicht hatte, was mich von Menschen mit seiner Geschichte und deren engem Horizont abhob.
    Später in Wharton entdeckte ich dann, dass ich mich auf einen Beruf spezialisieren wollte, der mit Wahrscheinlichkeit und seltenen Ereignissen zu tun hat, und mich ergriff eine regelrechte Besessenheit von den Themen Wahrscheinlichkeit und Zufälligkeit. Ich witterte auch manche Schwachstellen in dem Statistik-Lehrstoff, für die der Professor keine Erklärung hatte und die

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