Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
Motto vieler Colleges in den Vereinigten Staaten herzuhalten: Non scolae, sed vitae discimus , also: »[Hier] lernen wir für das Leben und nicht für die Schule.«
Die größte Spannung im Leben entsteht, wenn die Instanz, die reduziert und fragilisiert (beispielsweise ein Politiker), sich auf Vernunft beruft.
Ein antifragiler (hantelförmiger) Bildungsweg
Es gibt einen Umstand, der mich von den Auswirkungen der Schulbildung geheilt und äußerst skeptisch gegenüber der Vorstellung standardisierten Lernens gemacht hat.
Denn ich bin – trotz meiner diversen Abschlüsse – reiner Autodidakt.
Mein Vater war im Libanon als der »intelligente Schüler Schüler Intelligent« bekannt, ein Wortspiel mit dem arabischen Ausdruck für »intelligenter Schüler« (oder Student) – taleb nagib , under hieß Nagib Taleb. In dieser Form veröffentlichte die Zeitung seinen Namen, als er das Examen der Highschool im Libanon als Bester abschloss. Er war eine Art nationaler Jahrgangsbester, und die wichtigste Tageszeitung berichtete von seinem Tod im Jahr 2002 auf der Titelseite, indem sie ein Wortspiel mit seinem bezeichnenden Namen formulierte: DER INTELLIGENTE SCHÜLER SCHÜLER INTELLIGENT LEBT NICHT MEHR. Seine Schullaufbahn war allerdings eine Schinderei gewesen, denn er hatte die Eliteschule der Jesuiten besucht. Die Jesuiten hatten die Aufgabe, die künftigen Führungskräfte des Landes auszubilden, was dadurch geschah, dass sie am Ende jedes Schuljahrs die Schüler gnadenlos filterten. Ihrer Aufgabe kamen sie äußerst erfolgreich nach: Nicht nur hatten sie (trotz des Krieges) die weltweit höchste Erfolgsrate beim französischen Abitur, ihre Schule konnte sich auch mit einer weltweit einzigartigen Liste berühmter ehemaliger Schüler schmücken. Die Jesuiten vereinnahmten einen Großteil der Freizeit ihrer Schüler für den Unterricht, und so gaben viele freiwillig auf. Man darf – zu Recht – vermuten, dass mich dieser Vater, der landesweit der Jahrgangsbeste war, definitiv gegen Schule immun machte. Und tatsächlich maß mein Vater dem Schulunterricht keinen allzu großen Stellenwert bei und steckte mich nicht in die Jesuitenschule – er wollte mir ersparen, was er durchgemacht hatte. Das gab mir die Freiheit, mein Ego an anderer Stelle zu verwirklichen.
Indem ich meinen Vater aus nächster Nähe erlebte, ging mir auf, was es bedeutete, ein Jahrgangsbester, ein intelligenter Schüler zu sein, und zwar vor allem in negativer Hinsicht: Es gab Dinge, die intelligente Schüler einfach nicht verstehen konnten. Zu dieser Art von Intelligenz gehörte unweigerlich eine gewisse Blindheit. Diese Erkenntnis begleitete mich lange Zeit, auch dann noch, als ich in Trading Rooms arbeitete, wo man seine Zeit damit verbringt, herumzusitzen und darauf zu warten, dass etwas geschieht – ungefähr so wie Barbesucher oder auch Mafiosi. Ich dachte darüber nach, dass man die Leute eigentlich nach ihrer Fähigkeit auswählen müsste, mit anderen zurechtzukommen, während sie herumsitzen, nichts tun und die Unbestimmtheit genießen. Wenn man Menschen nach ihrer Fähigkeit selektiert, herumzuhängen, dann schneiden diejenigen, die studiert haben, nicht gut ab: Sie brauchen eine klar umrissene Aufgabe.
Als ich ungefähr zehn Jahre alt war, wurde mir klar, dass gute Schulnoten außerhalb der Schule weniger nützlich waren als in der Schule, denn sie hatten Nebenwirkungen. Sie waren nicht ohne eine Art intellektuelles Opfer zu haben. Eigentlich war es sogar mein Vater selbst, der mich auf das Problem mit den guten Noten aufmerksam machte: Der Schlechteste in seiner Klasse (ironischerweise der Vater eines meiner Klassenkameraden in Wharton) wurde später ein Selfmade-Kaufmann und der weitaus Erfolgreichste der gesamten Klasse (er besaß eine riesige Jacht, auf der markant seine Initialen prangten); ein anderer verdiente ein Vermögen, indem er in Afrika Holz kaufte, sich noch vor seinem vierzigsten Geburtstag zur Ruhe setzte, dann Amateurhistoriker wurde (mit dem Schwerpunkt Geschichte des Mittelmeerraums) und in die Politik ging. Mein Vater legte letztlich keinen allzu großen Wert auf Schulbildung, eher auf Kultur oder Geld – und er ermunterte mich, mich in diese Richtungen zu orientieren (anfänglich entschied ich mich für Kultur). Er selbst hatte großes Interesse am Umgang mit Gelehrten und Geschäftsleuten, Menschen, deren Position nicht von Zeugnissen abhängig war.
Ich hatte mir vorgenommen, mich rigoros auf dem freien Markt
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