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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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Art des Wissens verteidigten und seine Respektierung einforderten. Da wäre zunächst Edmund Burke, der irische Politiker und Staatsphilosoph; auch er kritisierte die Französische Revolution, weil sie die »kollektive Vernunft der vergangenen Zeitalter« gestört habe. Er war der Meinung, große soziale Veränderungen setzten uns unabsehbaren und unvorhergesehenen Folgen aus, und plädierte aus diesem Grund in sozialen Systemen für kleine Experimente nach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip (faktisch also für konvexes Tüfteln), verbunden mit dem Respekt vor den komplexen Heuristiken der Tradition. Des Weiteren ist Michael Oakeshott zu nennen, der konservative Staats- und Geschichtsphilosoph des 20. Jahrhunderts, der glaubte, Traditionen stellten eine Sammlung gefilterten kollektiven Wissens bereit. Ein weiterer Denker in dieser Reihe ist Joseph de Maistre, den ich bereits im Zusammenhang mit dem Denken in »zweiten Schritten« anführte. Er war ein französischsprachiger Royalist und Denker der Gegenaufklärung, der die schlimmen Begleiterscheinungen der Revolution anprangerte und außerdem von der fundamentalen Verderbtheit der Menschen überzeugt war, die seiner Meinung nach durch irgendeine Form von Diktatur in Zaum gehalten werden müsse.
    An der Spitze der Liste moderner antifragiler Denker müsste zweifellos Wittgenstein mit seiner bemerkenswerten Einsicht in die Unzulänglichkeit von Wörtern stehen. Er versteht auch von allen Denkern das Grünholzproblem am besten – möglicherweise war er mit seinem Gedanken, die Sprache sei nicht dazu in der Lage, die Wirklichkeit auszudrücken, der Erste, der eine Version des Grünholzproblems formulierte. Überhaupt war der Mann ein Heiliger: Er opferte sein Leben, seine Freundschaften, sein Vermögen, seinen Ruf, überhaupt alles der Philosophie.
    Man könnte meinen, auch Friedrich Hayek habe in diese antifragile, antirationalistische Gruppe gehört. Er ist der Philosoph und Wirtschaftswissenschaftler, der sich im 20. Jahrhundert gegen Sozialplanung aussprach, und zwar mit dem Argument, dass das Preissystem vermittels Transaktionen das Wissen zum Vorschein bringt, das in der Gesellschaft eingebettet ist – ein Wissen, das den Sozialplanern nicht zugänglich ist. Hayek erkannte allerdings nicht den Stellenwert der Optionalität als Ersatz für Sozialplanung. Auch er glaubte in gewisser Weise noch an Intelligenz, und sei es in Gestalt von verteilter, kollektiver Intelligenz; Optionalität als Ersatz für Intelligenz kommt in seinem Denken nicht vor. 58
    Der Anthropologe Claude Lévi-Strauss zeigte, dass schriftlose Völker ihre ganz eigene »Wissenschaft des Konkreten« haben, dass sie ihre Umgebung in einem ganzheitlichen Denken erfassen, mit Begriffen für Objekte und deren »sekundäre«, sinnliche Qualitäten, die nicht zwingend weniger kohärent sind als viele unserer wissenschaftlichen Vorgehensweisen, sondern vielmehr in mancher Hinsicht genauso differenziert, ja sogar differenzierter sind als unsere Strategien. Ein weiterer Fall von Grünholz.
    Schließlich noch John Gray, der zeitgenössische Staatsphilosoph und Essayist, der in seinen Texten die menschliche Hybris anprangert und unermüdlich gegen die allgemein verbreitete Vorstellung von der Aufklärung als Allheilmittel anschreibt – eine bestimmte Kategorie von Denkern bezeichnet Gray als Aufklärungsfundamentalisten. Er zeigte wiederholt, dass sich der so genannte wissenschaftliche Fortschritt als reine Illusion entpuppen kann. Als er, ich und der Essayist Bryan Appleyard uns einmal zum Mittagessen trafen, stellte ich mich innerlich darauf ein, Ideen zu diskutieren und meine Position verteidigen zu müssen. Ich war angenehm überrascht, als sich das Zusammentreffen zum besten Mittagessen meines Lebens entwickelte. Da war diese Leichtigkeit zu wissen, dass wir alle drei stillschweigend etwas verstanden und also auch gleich den nächsten Schritt zur Erörterung der Umsetzbarkeit unserer Ideen tun konnten – etwa so etwas Banales wie den Umtausch unserer Devisenbestände in Wertmetalle, da Letztere nicht den Regierungen gehören. Gray arbeitete in einem Büro in der Nähe von Hayek und berichtete mir, Hayek sei ein ziemlich langweiliger Typ, dem alles Spielerische – also Optionalität – abging.
    Die Unterscheidung Dummkopf – Nicht-Dummkopf
    Es ist an der Zeit, den Stein der Weisen wieder ins Gespräch zu bringen. Sokrates geht es um Wissen, ganz im Gegensatz zu Fat Tony, der keine Ahnung hat, was das

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