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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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ist. Der entscheidende Unterschied im Leben ist für Tony nicht wahr oder falsch, sondern Dummkopf oder Nicht-Dummkopf. Bei ihm liegen die Dinge immer einfacher. Im wirklichen Leben ist, wie wir bei Seneca und Thales gesehen haben, die Frage des Ausgesetztseins wichtiger als Wissen; die Auswirkungen von Entscheidungen ersetzen die Logik. Dem »Wissen« aus Lehrbüchern fehlt eine Dimension, die verborgene Asymmetrie der Vorteile ebenso wie die Vorstellung des Durchschnitts. In der Geschichte des Denkens wurde die Notwendigkeit, sein Augenmerk auf das Ergebnis einer Tat zu richten, anstatt die Struktur der Welt zu studieren (oder das »Wahre« und das »Falsche« zu verstehen), weitgehend verkannt. Ganz entsetzlich verkannt. Das Ergebnis, also das, was Ihnen widerfährt (der Nutzen oder der Nachteil eines Ereignisses), ist das Wichtigste, nicht das Ereignis selbst.
    Philosophen sprechen über das Wahre und das Falsche. Normale Leute reden über Ergebnisse, Ausgesetztsein und Konsequenzen (Risiken und Belohnungen), also über Fragilität und Antifragilität. Und manchmal vermischen Philosophen, Denker und Fachleute Wahrheit mit Risiken und Belohnungen.
    Wenn ich meinen Ansatz weiterdenke, komme ich zu dem Schluss, dass wahr und falsch (also das, was wir eine »Überzeugung« nennen) eine unbedeutende, sekundäre Rolle bei menschlichen Entscheidungen spielen; bestimmend ist vielmehr das Ergebnis aus dem Wahren und dem Falschen – und dieses ist fast immer asymmetrisch, die eine Konsequenz sehr viel gravierender als die andere, es sind also positive und negative Asymmetrien (das heißt Fragilität oder Antifragilität) impliziert. Lassen Sie mich das näher ausführen.
    Fragilität, nicht Wahrscheinlichkeit
    Passagiere werden nach Waffen abgesucht, bevor sie ein Flugzeug besteigen. Wir glauben, dass sie Terroristen sind: Wahr oder falsch? Falsch, denn sie sind sehr wahrscheinlich keine Terroristen (es besteht nur eine winzige Wahrscheinlichkeit, dass sie es sind). Aber trotzdem werden sie überprüft, denn gegen Terrorismus sind wir fragil. Es liegt eine Asymmetrie vor. Wir haben ein Interesse an einem bestimmten Ergebnis, und die Konsequenzen oder das Ergebnis, also das Wahre (dass sich die Kontrollierten tatsächlich als Terroristen entpuppen), sind zu groß, die Kosten der Überprüfung andererseits zu gering. Glauben Sie, das Kernkraftwerk wird voraussichtlich im Lauf dieses Jahres explodieren? Falsch. Aber Sie werden sich so verhalten, als wäre es wahr, und Millionen in zusätzliche Sicherheitsvorkehrung stecken, da wir gegen nukleare Ereignisse fragil sind. Ein drittes Beispiel: Glauben Sie, dieses beliebig herausgepickte Medikament wird Ihnen schaden? Falsch. Schlucken Sie die Pille? Natürlich nicht, unter keinen Umständen.
    Wenn Sie sich die Mühe machen würden, sämtliche Entscheidungen, die Sie in der letzten Woche getroffen haben, aufzulisten, oder, wenn Ihnen das möglich ist, sogar alle Entscheidungen, die Sie in Ihrem Leben je gefällt haben, dann könnten Sie feststellen, dass sie alle ein asymmetrisches Ergebnis haben. Sie entscheiden grundsätzlich aufgrund von Fragilität, nicht aufgrund von Wahrscheinlichkeit. Oder anders gesagt: Sie entscheiden grundsätzlich aufgrund von Fragilität, nicht so sehr aufgrund der Dichotomie wahr-falsch.
    Schauen wir uns die Vorstellung der Unzulänglichkeit von wahr/falsch in der Entscheidungsfindung in der Realität an, vor allem, wenn auch noch Wahrscheinlichkeiten eine Rolle spielen. Wahr oder falsch sind Interpretationen, die in einem Bezug stehen zu hohen oder geringen Wahrscheinlichkeiten. Es gibt in der Wissenschaft das so genannte Konfidenzniveau; ein Resultat, das mit einem Konfidenzniveau von 95 Prozent erreicht wird, bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es falsch ist, nicht mehr als 5 Prozent beträgt. Aber selbstverständlich ist das Konzept nicht umsetzbar, da es das Ausmaß der Auswirkungen ignoriert, welches die Situation bei extremen Ereignissen natürlich verschlimmert. Wenn ich Ihnen sage, dass ein bestimmtes Resultat mit einem Konfidenzniveau von 95 Prozent wahr ist, würde Sie das weitgehend zufriedenstellen. Wenn ich Sie allerdings darüber aufkläre, dass ein Flugzeug mit einem Konfidenzniveau von 95 Prozent sicher ist? Selbst 99 Prozent Konfidenzniveau würden nicht ausreichen, da es doch eher beunruhigend wäre, mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 99 abzustürzen (heutzutage legen die Fluggesellschaften eine

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