Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
Rede wert gewesen.
Abbildung 15. Selbst wenn klein hässlich wäre – es ist auf jeden Fall weniger fragil. Das Diagramm zeigt die Transaktionskosten als eine Funktion der Größe des Irrtums: Sie steigen nichtlinear an, und die Mega-Fragilität ist klar erkennbar.
Nur wenige Wochen vor der Kerviel-Geschichte hatte mich eine französische Business School engagiert, um dem Vorstand der Société Générale, der in Prag tagte, meine Gedanken zu Schwarzen Schwänen, zur Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse vorzutragen. In den Augen der Banker glich ich einem Jesuitenprediger, der während der jährlichen Hadsch in Mekka auftaucht – ihre »Quants« und Risikospezialisten hassten mich inbrünstig, und ich bedauerte, nicht darauf bestanden zu haben, meinen Vortrag auf Arabisch zu halten (es wurde mit Simultanübersetzern gearbeitet). Ich sprach über Pseudo-Risiko-Techniken à la Triffat – Methoden, die üblicherweise eingesetzt werden, um Ereignisse zu messen und vorherzusagen, die allerdings, so meine Rede, noch nie funktioniert haben; und ich legte die Gründe dar, warum ich es als notwendig ansah, dass wir uns auf Fragilität und Hanteln konzentrieren müssen. Während meiner Ansprache wurde ich ständig von Kerviels Boss und seinem Kollegen, dem Chef der Abteilung für Risikomanagement, unterbrochen. Nach der Rede gingen mir alle aus dem Weg, als wäre ich ein Außerirdischer – spürbar hing die unausgesprochene Frage in der Luft: »Wer hat diesen Kerl bloß mitgebracht?« (Die Business School, nicht die Bank hatte mich ausgewählt.) Der Einzige, der nett zu mir war, war der Vorstandsvorsitzende – er hatte mich mit einer anderen Person verwechselt und außerdem keine Ahnung, worüber ich gesprochen hatte.
Der Leser kann sich also meine Stimmung vorstellen, als kurz nach meiner Rückkehr nach New York der Kerviel-Skandal aufflog. Prickelnd war außerdem, dass ich aus rechtlichen Gründen meinen Mund halten musste (was ich auch, abgesehen nur von ganz wenigen Ausrutschern, tat).
Natürlich waren die Postmortem-Analysen falsch: Sie schoben das Problem mangelhaften Kontrollen durch das schlechte kapitalistische System in die Schuhe und der fehlenden Wachsamkeit der Bank. Aber damit lagen sie völlig daneben. Es hatte auch nichts mit der »Habgier« zu tun, die in solchen Fällen häufig als Grund angeführt wird. Das zentrale Problem ist die Größe und die Fragilität, die sich aus der Größe ergibt.
Man erinnere sich immer wieder an den Unterschied zwischen einem Felsbrocken und einer gleich schweren Menge Kieselsteinchen. Die Kerviel-Geschichte ist beispielhaft, sie lässt sich generalisieren und auf andere Bereiche übertragen.
Für den Bereich des Projektmanagements hat Bent Flyvbjerg sichere Belege dafür geliefert, dass eine Zunahme der Größe von Projekten sich in schlechten Ergebnissen niederschlägt und in proportional zum Gesamtbudget immer höheren Verzugskosten. Allerdings ist dabei eine Besonderheit zu berücksichtigen: Es ist die Größe pro Segment des Projekts, die eine Rolle spielt, nicht die Größe des Gesamtprojekts – einige Projekte vertragen es durchaus, in Einzelteile aufgeteilt zu werden, andere dagegen nicht. Brücken- und Tunnelbauprojekte müssen monolithisch geplant werden, sie sind nicht in kleine Portionen unterteilbar; und ihre prozentualen Kostenüberschreitungen nehmen mit der Größe merklich zu. Das Gleiche gilt für Dämme. Bei Straßen, die in kleinen Abschnitten gebaut werden, tritt kein ernst zu nehmender Größeneffekt auf, da den Projektmanagern nur kleine Irrtümer unterlaufen, auf die man sich unschwer einstellen kann. Bei kleinen Abschnitten passieren jeweils kleine Irrtümer, aus denen sich keine großartige Klemme entwickeln kann.
Ein weiterer Aspekt von Größe: Große Unternehmen gefährden die Stabilität von Wohnvierteln. Ich habe das folgende Argument gegen eine große Supermarktkette ins Feld geführt, die versuchte, uns mit allen möglichen Versprechungen für einen Supermarktneubau zu ködern. Die Gesellschaft wollte ein großes Areal in der Nähe des Stadtteils aufkaufen, wo ich lebe, was zu einem Aufschrei der Empörung führte, da man befürchtete, der Charakter des gesamten Viertels werde sich verändern. Die Ladenkette versprach die Neubelebung des Gebiets und so weiter. Ich sprach mich mit folgender Begründung gegen den Vorschlag aus: Sollte das Unternehmen pleitegehen (und der statistische Elefant im Zimmer lässt darauf schließen,
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