Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
Vom Netzwerk:
nach rechts hin und nicht nach links. Wäre Ungewissheit linear, dann müssten wir beobachten können, dass einige Projekte extrem früh fertiggestellt werden (so wie wir mit dem Flieger manchmal sehr früh und manchmal sehr spät ankommen). Aber das ist nicht der Fall.
    Kriegsbedingte Defizite und Defizite
    Man hatte geglaubt, der Erste Weltkrieg würde nur wenige Monate dauern, doch als er dann vorüber war, waren Frankreich und Großbritannien schwer verschuldet; die finanzielle Belastung überstieg die ursprünglichen Planungen um mindestens das Zehnfache, ganz zu schweigen von dem Schrecken, dem Leid und der Zerstörung. Beim Zweiten Weltkrieg war es nicht anders. Die Verschuldung in Großbritannien war noch größer, was zur Folge hatte, dass Großbritannien sich – überwiegend bei den USA – schwer verschuldete.
    Für die Vereinigten Staaten bleibt das Paradebeispiel der Irakkrieg, dessen Kosten George W. Bush und seine Freunde zunächst mit dreißig bis sechzig Milliarden veranschlagt hatten; diese Kosten dürften aber mittlerweile – rechnet man die indirekten Kosten hinzu – auf gut zwei Billionen angeschwollen sein. Indirekte Kosten multiplizieren sich, sie verursachen explosive Interaktionsketten, die sich sämtlich in Richtung Mehrkosten entwickeln, nie in Richtung Kostendezimierung. Auch hier haben Komplexität plus Asymmetrie (plus Typen wie George W. Bush) explosive Irrtümer zur Folge.
    Je größer der Militärapparat, desto disproportional größer die Budgetüberschreitung.
    Aber Kriege – mit zwanzigfachen Berechnungsirrtümern – sind nur ein Beispiel für das Maß, in dem Regierungen explosive Nichtlinearitäten (Konvexitätseffekte) unterschätzen, und einer der Gründe, warum man ihnen, wenn es um Finanzierungen oder andere Entscheidungen von großer Trageweite geht, nicht über den Weg trauen sollte. Doch Regierungen brauchen keine Kriege, um uns in Defizitprobleme zu stürzen: Die Unterschätzung der Kosten ihrer Projekte ist chronisch aus genau demselben Grund, aus dem 98 Prozent aller gegenwärtigen Projekte ihren Finanzrahmen überziehen. Es wird prinzipiell mehr ausgegeben, als zu Beginn veranschlagt und bekannt gegeben. Das hat mich dazu bewogen, eine goldene Regierungsregel aufzustellen: Kreditaufnahme streng verboten, der Haushalt muss ausgeglichen sein.
    Wenn das »Effiziente« nicht effizient ist
    Es reicht das bloße Auge, um zu erkennen, dass die Fragilität mehr und mehr Kosten verursacht. Umweltkatastrophen kosten heute – inflationsangepasst – mehr als dreimal so viel wie in den 1980er Jahren. Und dieser Effekt, der vor einiger Zeit von dem visionären Erforscher von Extremereignissen Daniel Zajdenweber konstatiert wurde, beschleunigt sich offenbar. Die Wirtschaft kann zunehmend »effizienter« werden, aber gleichzeitig steigen aufgrund der Fragilität die Kosten von Irrtümern immer mehr.
    Die Börsen haben sich vom Verfahren des »offenen Ausrufs« wegentwickelt, bei dem ungestüme Trader sich direkt gegenüberstehen, sich anschreien und brüllen wie in einem Suk, und anschließend gemeinsam die nächste Bar aufsuchen. Trader wurden durch Computer ersetzt – mit nur sehr wenigen spürbaren Vorteilen und großen Risiken. Während die Irrtümer von Tradern begrenzt und verteilt sind, geraten die Irrtümer, die im Rahmen von computergesteuerten Systemen auftreten, völlig außer Kontrolle – im August 2010 ließ (im so genannten flash crash ) ein Computerirrtum den gesamten Markt zusammenbrechen; im August 2012, als dieses Manuskript unterwegs zum Setzer war, stürzte in der Knight Capital Group der Computer ab und verursachte pro Minute einen Verlust von 10 Millionen Dollar, der sich schlussendlich auf insgesamt 480 Millionen Dollar erhöhte.
    Außerdem können naive Kosten-Nutzen-Analysen einen gewissen Schaden anrichten, ein Effekt, der natürlich mit zunehmender Größe anschwillt. Beispielsweise haben die Franzosen in der Vergangenheit ganz auf Nuklearenergie gesetzt, da sie angeblich »sauber« und billig war. Und natürlich auf dem Computerbildschirm »optimal« aussah. Dann, nach dem Warnsignal der Fukushima-Katastrophe im Jahr 2011, stellten sie fest, dass zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen nötig waren, und machten sich überstürzt – koste es, was es wolle – an deren Installierung. Das erinnert an die Klemme, die ich oben beschrieben habe: Sie waren gezwungen zu investieren, ganz gleich zu welchem Preis. Diese zusätzlichen Ausgaben waren natürlich

Weitere Kostenlose Bücher