Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
sehr ernst. Wir bekamen ausschließlich positive Reaktionen, uns wurde jetzt bescheinigt, es handle sich bei dieser schlichten Erfassungsheuristik um eine wirklich »intelligente« Methode (und das kam von denselben Leuten, die das Ganze zuvor trivial gefunden hatten). Mathematik kann fatalerweise zur Sucht werden.
Positive und negative Modellfehler
Und nun zu dem, was ich für mein Spezialgebiet halte: Fehler in Modellen.
Als ich noch im Transaktionsgeschäft tätig war, pflegte ich zahlreiche Ausführungsfehler zu machen. Man kauft tausend Einheiten und entdeckt dann am nächsten Tag, dass man in Wahrheit zweitausend gekauft hat. Wenn der Preis in der Zwischenzeit gestiegen ist, hat man einen schönen Gewinn. Andernfalls hat man einen großen Verlust. Solche Fehler neutralisieren sich auf lange Sicht, denn sie können sich auf zweierlei Art auswirken. Sie erhöhen die Varianz, beeinträchtigen aber die Geschäftssituation insgesamt nicht allzu sehr. Sie sind nicht einseitig. Und die Fehler bleiben dank ihrer begrenzten Größe unter Kontrolle – man nimmt viele kleine Transaktionen vor, daher bleiben auch die Fehler klein. Und am Jahresende heben sie sich normalerweise gegenseitig auf.
Das ist allerdings bei den meisten Konstrukten von Menschenhand nicht der Fall, und auch nicht bei Fehlern, die im Zusammenhang mit fragilen Dingen auftreten, wenn negative Konvexitätseffekte damit verbunden sind. Das Ergebnis dieser Fehler-Klasse ist einseitig, und zwar einseitig negativ – der Grund, warum Flugzeuge mit sehr viel größerer Wahrscheinlichkeit zu spät landen. Kriege haben die Tendenz, sich zum Schlimmeren hin zu entwickeln, nicht zum Besseren. Wie ich im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr gezeigt habe, werden Variationen (respektive Störungen) die Fahrtzeit von South Kensington zum Piccadilly Circus wahrscheinlich erhöhen, nie aber abkürzen. Es gibt Bereiche, etwa den Straßenverkehr, bei denen das Äquivalent einer positiven Störung kaum einmal vorkommt.
Diese Einseitigkeit hat zur Folge, dass man nicht nur die Zufälligkeit, sondern auch die Schädlichkeit unterschätzt, da man der Schädigung durch Fehler stärker ausgesetzt ist als der Möglichkeit, von ihnen zu profitieren. Wenn auf lange Sicht als Quelle der Zufälligkeit in beide Richtungen gleich viel Variation aufträte, wäre der Schaden weitaus größer als der Nutzen.
Wir können also die Dinge aufgrund von drei einfachen Unterscheidungsmerkmalen klassifizieren (der Schlüssel zur Triade): Dinge, die auf lange Sicht Störungen (oder Fehler) mögen, Dinge, die neutral darauf reagieren, und Dinge, die Störungen oder Fehler nicht mögen. Ich habe bereits gezeigt, dass die Evolution ein positives Verhältnis zu Störungen hat, so wie auch Entdeckungen ein positives Verhältnis zu Störungen haben. Es gibt Vorhersagen, die durch Ungewissheit beeinträchtigt werden – und wie für die Fahrtzeit, so gilt auch hier, dass man Puffer einbauen muss. Fluggesellschaften haben das Problem gelöst, Regierungen allerdings, wenn sie Defizitschätzungen vornehmen, noch nicht.
Diese Methode ist universal einsetzbar. Ich habe sie sogar bei Berechnungen im Zusammenhang mit Fukushima verwendet und festgestellt, wie fragil deren Berechnung geringer Wahrscheinlichkeiten war – faktisch sind alle geringen Wahrscheinlichkeiten äußerst anfällig für Fehler, denn eine kleine Veränderung bei den Voraussetzungen kann dazu führen, dass die Wahrscheinlichkeit dramatisch ansteigt, von eins zu einer Million auf eins zu hundert. Also eine zehntausendfache Unterbewertung.
Schließlich kann diese Methode auch zeigen, an welcher Stelle Mathematik in Wirtschaftsmodellen fehl am Platz ist – welche Modelle fragil sind und welche nicht. Man nehme eine kleine Veränderung bei den Voraussetzungen vor und prüfe, in welchem Maß sich diese Veränderung auswirkt und ob die Auswirkung einer Beschleunigung unterliegt. Beschleunigung bedeutet – wie das Beispiel von Fannie Mae gezeigt hat –, dass derjenige, der sich auf ein solches Modell verlässt, von einem Schwarzen Schwan, also einem unwahrscheinlichen Ereignis, vernichtet wird. Molto facile . Eine detaillierte Vorgehensweise, mit der man ermitteln kann, welche Resultate in den Wirtschaftswissenschaften fehl am Platz sind, in Verbindung mit einer Diskussion geringer Wahrscheinlichkeiten, ist im Appendix beschrieben. Hier genügt die Anmerkung, dass man vieles von dem, was die Wirtschaftswissenschaften lehren und das
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