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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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den Stein der Weisen zu finden. Man sollte sich immer wieder vor Augen halten, dass die Chemie aus der Alchemie hervorgegangen ist, die zu einem Großteil darin bestand, den chemischen Energien von Substanzen auf die Spur zu kommen. Die größten Anstrengungen verwendete man darauf, vermittels der Methode der Transmutation Metalle in Gold zu verwandeln. Die Substanz, mit deren Hilfe das gelingen sollte, hieß Stein der Weisen – lapis philosophorum . Viele bedeutende Geister beschäftigten sich mit diesem Stein der Weisen, darunter Gelehrte wie Albertus Magnus, Isaac Newton und Roger Bacon sowie große Denker, die nicht primär Gelehrte waren, wie etwa Paracelsus.
    Der Vorgang der Verwandlung wurde interessanterweise als Magnum Opus – das große (größte) Werk bezeichnet. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Verfahren, welches ich im Folgenden – basierend auf bestimmten Eigenschaften der Optionalität – darstellen werde, uns in die größte vorstellbare Nähe zum Stein der Weisen zu bringen vermag.
    Der folgende Abschnitt ermöglicht uns zu verstehen:
wie problematisch es ist, wenn Dinge vermengt werden (wenn etwa der Ölpreis mit Geopolitik oder ein profitabler Tipp mit einer guten Vorhersage verwechselt wird – Nicht-Konvexität des Ergebnisses und Optionalität);
warum alles, was über Optionalität verfügt, auf lange Sicht von Vorteil ist – und wie man das messen kann;
und schließlich kommt eine raffinierte Eigenschaft namens Jensen’sche Ungleichung hinzu.
    Man erinnere sich an unser Verkehrsproblem in Kapitel 17: Eine Stunde lang im Schnitt 90000 Fahrzeuge, anschließend eine Stunde lang 110000 Fahrzeuge (also ein Schnitt von 100000 Autos), und die Verkehrssituation wird fürchterlich sein. Nehmen wir andererseits an, wir hätten zwei Stunden lang 100000 Fahrzeuge, dann läuft der Verkehr flüssig, die unterwegs verbrachte Zeit ist kurz.
    Die Anzahl der Autos ist das Etwas – eine Variable; die Fahrtzeit ist die Funktion von Etwas . Das Verhalten der Funktion und das des Etwas ist nicht dasselbe – es handelt sich vielmehr, wie wir gesagt haben, um »zwei Paar Stiefel«. Das Beispiel zeigt, dass die Funktion von Etwas unter nichtlinearen Bedingungen anders wird als das Etwas .
Je nichtlinearer, desto stärker hebt sich die Funktion von Etwas von diesem Etwas selbst ab. Wäre der Verkehr linear, dann gäbe es keinen Unterschied in der Fahrtzeit zwischen diesen beiden Situationen: einerseits 90000, dann 110000 Autos; andererseits 100000 Autos.
Je volatiler das Etwas – je höher die Ungewissheit – ist, desto stärker gehen Funktion und Etwas auseinander. Nehmen wir wieder das Beispiel mit dem durchschnittlichen Fahrzeugaufkommen. Die Funktion (Fahrtzeit) hängt stärker von der Volatilität um den Durchschnitt herum ab. Der Unterschied wird kleiner, je gleichmäßiger die Verteilung ist. Für ein und denselben Durchschnitt wird man es vorziehen, in beiden Zeitperioden 100000 Autos zu haben; und 80000 und anschließend 120000 Autos wäre noch schlimmer als 90000 und danach 110000.
Wenn die Funktion konvex (antifragil) ist, dann ist der Durchschnitt der Funktion von Etwas höher als die Funktion des Durchschnitts von Etwas. Das Umgekehrte gilt, wenn die Funktion konkav (fragil) ist.
    Als Beispiel für (c), eine kompliziertere Version der Verzerrung, nehmen wir die Quadratfunktion (eine mit sich selbst multiplizierte Zahl). Die Quadratfunktion ist eine konvexe Funktion. Stellen Sie sich einen herkömmlichen Spielwürfel (mit sechs Seiten) vor. Je nachdem, was Sie würfeln, bekommen Sie einen Betrag ausgezahlt, der der gewürfelten Zahl entspricht – 1, wenn er 1 zeigt, 2, wenn er 2 zeigt, bis zu 6, wenn Sie die 6 würfeln. Wenn Sie das erwartete (durchschnittliche) Ergebnis ins Quadrat setzen, dann erhalten Sie (1+2+3+4+5+6 geteilt durch 6) 2 , also 3,5 2 , das ergäbe 12,25. Die Funktion des Durchschnitts ist also gleich 12,25.
    Der Durchschnitt der Funktion unterscheidet sich davon wie folgt: Ermitteln Sie die Quadratzahl zu jedem einzelnen Ergebnis, das wäre 1 2 +2 2 +3 2 +4 2 +5 2 +6 2 geteilt durch 6, also das durchschnittliche quadrierte Ergebnis, dann erhalten Sie den Durchschnitt der Funktion, und der ist gleich 15,17.
    Da Quadrieren eine konvexe Funktion ist, ist also der Durchschnitt des quadrierten Ergebnisses höher als das quadrierte durchschnittliche Ergebnis. Der Unterschied zwischen 15,17 und 12,25 ist das, was ich als den versteckten Nutzen der Antifragilität bezeichne –

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