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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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in den Zwängen des Lebens gefangen sind, abgeht. Aber eben diese Jungen schlagen auch Ideen vor, die fragil sind – nicht weil sie jung wären, sondern weil die meisten unausgereiften Ideen fragil sind. Und natürlich wird jemand, der »futuristische« Ideen verkauft, kaum etwas verdienen, wenn er den Wert der Vergangenheit anbietet! Neue Technologien lassen sich einfacher pushen.
    Kürzlich erhielt ich einen interessanten Brief von Paul Doolan aus Zürich, der fragte, wie wir Kindern Fertigkeiten vermitteln können, die sie für das 21. Jahrhundert brauchen, wo wir doch gar nicht wissen, welche Fertigkeiten im 21. Jahrhundert nötig sein werden. Elegant verband er die Frage mit dem großen Problem, das Karl Popper den Irrtum des Historizismus nannte. Meine Antwort würde lauten: Sie sollen die Klassiker lesen. Die Zukunft ist in der Vergangenheit. Es gibt für diesen Sachverhalt sogar ein arabisches Sprichwort: Wer keine Vergangenheit hat, hat keine Zukunft. 76
    Einige mentale Fehlleistungen
    Ich komme nun zu einem Beispiel dafür, wie uns der Zufall aufs Glatteis führen kann, zum Narren-des-Zerfalls -Effekt.Information hat eine unangenehme Eigenschaft: Sie bringt Fehlschläge zum Verschwinden. Viele fühlten sich gedrängt, auf dem Finanzmarkt aktiv zu werden, nachdem sie Erfolgsgeschichten von Leuten gehört hatten, die auf dem Aktienmarkt reich geworden sind und sich eine Prachtvilla bauen konnten – da aber Fehlschläge nie thematisiert werden, die natürlich auch vorkommen, werden Investoren dazu verführt, ihre Erfolgsaussichten zu überschätzen. Dasselbe gilt für das Schreiben von Romanen: Wir kennen all die fantastischen Romane einfach nicht, die heute nicht mehr verlegt werden; wir nehmen schlicht an, weil Romane, die erfolgreich sind, gut geschrieben sind (was immer das auch heißen mag), werden Romane, die gut geschrieben sind, Erfolg haben. Wir verwechseln also das Notwendige mit dem Kausalen: Da alle Technologien, die sich gehalten haben, irgendwelche offensichtlichen Vorteile haben, meinen wir, dass alle Technologien, die offensichtliche Vorteile haben, sich auch halten werden. Die Frage, welche undurchschaubare Eigenschaft dabei helfen kann, sich durchzusetzen, schiebe ich bis zum Abschnitt über den Hund des Empedokles auf. Hier sei nur auf die Voreingenommenheit hingewiesen, die uns Menschen dazu verführt, an die »Macht« irgendeiner Technologie nicht nur zu glauben, sondern ihr Potential womöglich völlig zu überschätzen.
    Eine weitere mentale Fehlleistung, die der Überschätzung von Technik zugrunde liegt, besteht darin, dass wir Veränderungen wahrnehmen und nicht das Gleichbleibende. Das klassische Beispiel hierfür haben Daniel Kahneman und Amos Tversky entdeckt, es bezieht sich auf Vermögensfragen. (Kahneman und Tversky formulierten die These, dass unser Gehirn getäuscht werden kann, da es nach dem Prinzip des geringsten Aufwands arbeitet, und sie waren die Ersten, die zufallsbedingte Voreingenommenheiten und Entscheidungsfindung unter unsicheren Bedingungen systematisch untersuchten). Wenn Sie jemandem mitteilen: »Sie haben 10000 Dollar verloren«, bringt ihn das sehr viel mehr aus der Fassung, als wenn Sie ihm sagen: »Der Wert Ihres Portfolios, der ursprünglich 785000 Dollar betrug, beläuft sich jetzt nur noch auf 775000 Dollar.« Unser Gehirn neigt zu Abkürzungen, und eine Variation ist einfacher wahrzunehmen (und zu speichern) als ein Gesamtzusammenhang; sie benötigt weniger Speicherplatz in unserem Gedächtnis. Diese psychologischen Heuristiken (die häufig unterhalb der Wahrnehmungsschwelle ablaufen), der Irrtum, dass man nur die Variation anstelle des Gesamtzusammenhangs erfasst, ist weit verbreitet, selbst wenn es um sichtbare Dinge geht.
    Wir nehmen Variationen und Veränderungen eher wahr als etwas, das zwar eine große Rolle spielt, sich aber nicht verändert. Von Wasser sind wir abhängiger als von Handys, aber weil Wasser sich im Gegensatz zu Handys nicht verändert, neigen wir zu der Auffassung, Handys spielten eine größere Rolle, als es tatsächlich der Fall ist. Zweitens: Da die jüngere Generation zu neuen Technologien ein dynamischeres Verhältnis hat, nehmen wir wahr, dass sie mehr Dinge ausprobiert, und ignorieren das Faktum, dass diese Anwendungen normalerweise nicht von Dauer sind. Die meisten »Innovationen« sind Fehlschläge, auch die meisten Bücher sind Misserfolge – was aber keinen davon abhalten sollte, selbst etwas auszuprobieren.
    Neomanie

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