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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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Nichtlinearitäten die Nahrungsaufnahme an Eigenschaften des menschlichen Organismus anzupassen. Im Appendix findet sich eine graphische Darstellung biologischer Standardwert-Reaktionen: Eine kleine Menge einer bestimmten Substanz erzeugt positive Konvexitätseffekte (seien sie nützlich oder schädlich); fügt man mehr hinzu, wird der Effekt schwächer. Am oberen Ende hat eine Steigerung der Dosis keine Auswirkung mehr, da Sättigung erreicht ist.
    Wenn man ohne Spaziergang auskommen muss
    Ein weiterer schädlicher Effekt naiven Rationalisierens: So wie über einen langen Zeitraum hinweg Menschen ihre Schlafperioden verkürzten, da wir den Nutzen des Schlafs mit unserer Erdlings-Logik nicht begriffen, so sind viele Leute davon überzeugt, Gehen sei nutzlos, sie bedienen sich daher mechanischer Transportmittel (Auto, Fahrrad und so weiter) und begeben sich zum Training ins Fitnessstudio. Und wenn sie dann doch einmal zu Fuß gehen, dann praktizieren sie diese unsäglichen »Power Walks«, teilweise sogar noch mit Gewichten an den Armen. Es ist ihnen nicht bewusst, dass aus Gründen, die für sie noch undurchsichtig sind, das anstrengungslose Gehen, in einem Tempo unterhalb des Stressniveaus, nützlich sein könnte – oder, so nehme ich an, dass diese Art des Gehens notwendig ist für Menschen, vielleicht sogar so notwendig wie der Schlaf, den die Moderne ja irgendwann auch zu reduzieren versuchte, weil sie ihn nicht rationalisieren konnte. Ob dies nun zutrifft oder nicht – meine Vorfahren brachten, als es noch keine Automobile gab, viel Zeit mit Gehen (und Schlafen) zu, und ich versuche einfach, ihrer Logik gemäß zu handeln, was ich auch schon getan habe, bevor einige medizinische Fachzeitschriften den Gedanken aufgriffen und das produzierten, was von Sachverständigen in Fachzeitschriften als »Beweis« bezeichnet wird.
    Ich möchte ewig leben
    Heute hört man immer nur von dem Wunsch, länger zu leben, reicher zu werden und natürlich immer noch mehr elektronisches Spielzeug auf sich zu packen. Wir sind nicht die erste Generation, die überzeugt ist, dass der Tod das Schlimmste ist, was uns zustoßen kann. Für die Menschen in der Antike war es nicht der Tod an sich, sondern ein unehrenhafter Tod, womöglich schon ein ganz normaler Tod. In einem Pflegeheim in Anwesenheit einer ruppigen Schwester zu sterben, mit einer Vielzahl von Schläuchen, die ihm aus der Nase hängen – für einen klassischen Helden wäre das mit Sicherheit alles andere als ein attraktives Lebens- Telos gewesen.
    Und dann haben wir da noch diese typisch moderne Illusion, dass wir so lang wie möglich leben sollten. Als wäre jeder Einzelne von uns ein Endprodukt. Diese Vorstellung vom »Ich« als einer Einheit kann bis in die Zeit der Aufklärung zurückverfolgt werden. Das Gleiche gilt für Fragilität.
    Vor dieser Zeit waren wir Teil der Gemeinschaft, in der wir lebten, und derer, die uns nachfolgten. Die Volksstämme in der Gegenwart und Zukunft nutzten die Fragilität des Einzelnen aus, um stärker zu werden. Die Menschen bringen Opfer und suchen das Martyrium, sie sterben für die Gruppe, und solches Handeln vermittelt ihnen ein Gefühl von Stolz; sie setzen sich mit aller Kraft für die zukünftigen Generationen ein.
    Heute aber, zur Zeit der Abfassung dieser Zeilen, belädt das Wirtschaftssystem fatalerweise die zukünftigen Generationen mit hohen Staatsschulden, es verursacht Raubbau an den Ressourcen und zerstört die Umwelt, um den Auflagen der Sicherheitsanalysten und des Bankenestablishments gerecht zu werden (wie gesagt: Man kann Fragilität und Moral nicht voneinander trennen).
    Das Gen ist, wie in Kapitel vier ausgeführt, antifragil, da es Information ist, der Träger des Gens dagegen ist fragil und muss es sein, damit das Gen stärker werden kann. Wir leben, um Informationen zu produzieren oder zu verbessern. Nietzsche prägte das lateinische Wortspiel aut liberi, aut libri – entweder Kinder oder Bücher: beides Informationen, die durch die Jahrhunderte weitergetragen werden können.
    Ich habe gerade John Grays wunderbares Buch Wir werden sein wie Gott gelesen, es thematisiert unter anderem die Versuche, in einer postreligiösen Welt mit Hilfe der Wissenschaft Unsterblichkeit zu erlangen. Ich empfand Abscheu – jedem Leser in der Antike wäre es genauso gegangen – angesichts der Anstrengungen der »Singularitäts«-Philosophen (wie beispielsweise Ray Kurzweil), die überzeugt davon sind, dass der Mensch das Potential

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