Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
Gesellschaften, die den Aktienmarkt dominieren, dank der Asymmetrie der Aktienoptionen um etwa vierhundert Milliarden Dollar reicher sind. Sie haben die armen Sparer im Thales-Modus abgezockt. Noch empörender ist das Schicksal der Bankenindustrie: Die Verluste der Banken waren höher als sämtliche Gewinne in der Geschichte dieser Banken zusammengenommen, und die Manager bekamen Milliarden an Kompensationszahlungen – die Steuerzahler müssen mit den Nachteilen leben, die Banker dürfen sich an den Vorteilen freuen. Und die Strategien, mit denen das Problem bewältigt werden soll, schädigen unschuldige Menschen, während die Banker auf ihren Jachten in St. Tropez ihren Rosé aus der Provence genießen.
Die Asymmetrie ist unübersehbar: Volatilität begünstigt Manager, da sie lediglich von der positiven Seite der Ergebnisse betroffen sind. Worauf es ankommt (und was von den meisten nicht gesehen wird): Diese Manager können von Volatilität profitieren – je mehr Variationen, desto kräftiger zahlt sich die Asymmetrie aus. Sie sind also antifragil.
Um zu sehen, wie dieser Antifragilitätstransfer funktioniert, führe man sich zwei Szenarien vor Augen, bei denen der Markt im Schnitt dasselbe tut, allerdings auf zwei verschiedene Arten.
Variante 1: Der Markt steigt um 50 Prozent und geht dann wieder zurück, alle Gewinne sind also wieder getilgt.
Variante 2: Der Markt bewegt sich nicht.
Es ist klar erkennbar, dass Variante 1, die volatilere Entwicklung, für die Manager, die aus ihren Aktienoptionen Kapital schlagen können, profitabler ist. Je gezackter die Entwicklung, desto besser für sie.
Und natürlich hat die Gesellschaft – in diesem Fall die Rentner – die Kehrseite des Ergebnisses auf sich zu nehmen, denn sie finanziert ja die Banker und Geschäftsführer. Rentner haben weniger Vor- als Nachteile. Die Gesellschaft zahlt für die Verluste der Banker, ohne davon zu profitieren. Wenn Sie nicht merken, dass es sich bei dieser Art von Antifragilitätstransfer um Diebstahl handelt, dann stimmt etwas nicht mit Ihrem Urteilsvermögen.
Was noch erschwerend hinzukommt: Dieses System trägt das Attribut »leistungsorientiert« und passt angeblich zum Kapitalismus. Vermutlich sind die Interessen der Manager dieselben wie die der Aktionäre. Aber was heißt hier leistungsorientiert? Es gibt ja nur Vorteile und keine Nachteile, keinerlei Abschreckungsmaßnahmen, das heißt Konsequenzen, wenn die erbrachte Leistung nicht den Erwartungen entspricht.
Freie Option à la Robert Rubin
Robert Rubin, ein ehemaliger Finanzminister, strich im Lauf von gut einem Jahrzehnt über 120 Millionen Dollar an Bonuszahlungen von der Citibank ein. Die Risiken, die die Institution eingegangen war, waren nicht sichtbar, die Zahlen sahen gut aus … bis zu dem Moment, wo sie (infolge der Truthahn-Überraschung) nicht mehr gut aussahen. Die Citibank brach ein, Rubin behielt sein Geld – faktisch mussten wir Steuerzahler ihn im Nachhinein entschädigen, denn die Regierung übernahm die Verluste der Bank und half ihr, weiterhin auf eigenen Beinen stehen zu können. Diese Art von Ergebnis ist weit verbreitet, Tausende Führungskräfte genossen die gleiche Behandlung.
Es geht um dasselbe wie im Fall des Architekten, der Risiken im Fundament eines Hauses verbirgt, die erst später zu einem Zusammenbruch führen; der dicke Schecks einstreicht und von einem komplexen Rechtssystems geschützt wird.
Von einigen Seiten wurde gefordert, als Gegenmittel eine »Rückholprovision« einzuführen, mit der in solchen Fällen die Verantwortlichen gezwungen würden, früher erhaltene Bonuszahlungen bei späteren Ausfällen zurückzuzahlen: Manager sollen ihre Bonuszahlungen nicht sofort bekommen, sondern erst drei oder fünf Jahre später, wenn sich herausstellt, dass es zu keinen Verlusten gekommen ist. Allerdings ist damit das Problem noch nicht gelöst: Nach wie vor haben die Manager ein Netto-Plus, aber kein Netto-Minus. Zu keinem Zeitpunkt ist ihr Nettovermögen gefährdet. Immer noch krankt das System an einem hohen Grad an Optionalität und Fragilitätstransfer.
Dasselbe gilt für einen Fondsmanager, der mit der Verwaltung von Rentenfonds betraut ist – auch er ist vor Nachteilen sicher.
Doch Hammurapis Regel wurde durchaus schon einmal auf Banker angewandt. In Katalonien gab es die Tradition, Banker vor ihrer eigenen Bank zu enthaupten (normalerweise verließen diese ihre Stadt Hals über Kopf, wenn sich ein Konkurs abzeichnete; einem
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