Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
(den »Nobelpreis« für Ökonomie) verliehen wie andere Fragilisten, etwa der Fragilist Merton und der Fragilist Stiglitz. Ich habe mehrere Jahre meines Lebens damit zugebracht, diese Methode als Scharlatanismus zu brandmarken, da sie außerhalb des akademischen Sektors keinerlei Nutzwert hat und zu Zusammenbrüchen führt (siehe Anhang). Doch Professor Doktor Fragilist Markowitz wendet seine Methode auf sein eigenes Portfolio auch gar nicht an; er greift auf klügere (und einfacher umzusetzende) Taxifahrermethoden zurück, die eher dem ähneln, was Mandelbrot und ich vorgeschlagen haben.
Ich bin überzeugt davon: Wenn man Wissenschaftler, so oft es geht, zwingen würde, das, was sie angerichtet haben, auch auszulöffeln, dann wäre ein ernsthaftes Problem der Wissenschaft gelöst. Man benutze folgende schlichte Heuristik: Überträgt ein Forscher, der Ideen ausgearbeitet hat, die auf die Wirklichkeit übertragbar sein sollen, diese Ideen in seinen eigenen Alltag? Wenn das der Fall ist, kann man ihn ernst nehmen. Wenn nicht, sollte man ihn ignorieren. (Handelt es sich dabei um einen Wissenschaftler, der sich mit theoretischer Mathematik oder Theologie oder Literaturwissenschaft beschäftigt, ist das unnötig. Aber wenn er etwas macht, was auf Anwendung zielt: Rote Karte!)
Damit bin ich wieder bei der Triffat-Täuschung und Seneca – dem Unterschied zwischen dem, der nur redet, und dem Praktiker. Diese Methode, zu ignorieren, was ein Wissenschaftler schreibt, und stattdessen auf das zu schauen, wie er handelt, kam mir auch bei meiner Begegnung mit einem Glücksforscher zugute, der die Auffassung vertrat, dass alles, was über einem Jahresverdienst von 50000 Dollar liegt, das Glück nicht weiter vermehren kann – er verdiente damals an der Universität mehr als doppelt so viel, seinem Maßstab zufolge war er also solide abgesichert. Sein Argument, gestützt durch seine »Experimente« und veröffentlicht in (von anderen Wissenschaftlern) »häufig zitierten Aufsätzen«, machte auf dem Papier einen recht überzeugenden Eindruck – wobei ich eigentlich mit der Vorstellung von »Glück« oder der vulgären modernen Interpretation der »Suche nach Glück« nicht viel anfangen kann. Ich Idiot glaubte ihm also. Allerdings erfuhr ich ungefähr ein Jahr später, er sei so geldgierig, dass er mit gut dotierten Vorträgen durch die Gegend tourte. Das war für mich ein stichhaltigerer Beleg als Tausende von Zitaten.
Champagnersozialismus
Und noch ein eklatantes Beispiel für Isolierung. Manchmal kann die Trennung zwischen dem, was einer sagt, und der Art, wie er lebt, sehr klar zutage treten, nämlich bei Personen, die ihren Mitmenschen einen bestimmten Lebensstil nahelegen, sich aber selbst nicht danach richten.
Jemandem, der linke Positionen vertritt, aber sein Vermögen nicht hergibt oder nicht genau so lebt, wie er es von anderen verlangt, muss man gar nicht erst zuhören. Leute, die sich für den Sozialismus, manchmal sogar für den Kommunismus oder sonst ein System mit klaren Vorbehalten gegen eine luxuriöse Lebensführung einsetzen und dabei ganz offen im Luxus leben, häufig noch von ererbten Reichtümern zehren, werden von den Franzosen »Kaviarlinke« genannt, la gauche caviar; im Englischen und Deutschen kennt man den Begriff der »Champagnersozialisten«. Sie bemerken den Widerspruch nicht, der darin liegt, dass sie von anderen verlangen, den Lebensstil, auf den sie selbst nicht verzichten können, zu meiden. Damit ähneln sie stark den ihren Liebschaften frönenden Päpsten wie Johannes XII . oder dem Borgia-Papst Alexander VI . Die Widersprüchlichkeit kann ins Groteske umkippen, etwa im Fall des früheren französischen Präsidenten François Mitterrand, der auf dem Podium der Sozialisten den Pomp der französischen Könige zu verströmen pflegte. Besonders ironisch wird das Ganze dadurch, dass sein traditioneller Erzfeind, der konservative General de Gaulle, ein Leben in altmodischer Strenge und Nüchternheit lebte und sich von seiner Frau die Socken stopfen ließ.
Allerdings habe ich noch Schlimmeres erlebt. Ein ehemaliger Kunde, ein reicher Mann mit, wie es scheint, sozialer Mission, versuchte mich dazu zu bewegen, einen Scheck für einen Kandidaten auszustellen, der sich im Zuge einer Wahl für höhere Steuern aussprach. Aus moralischen Gründen lehnte ich ab. Aber ich dachte, was für ein Held – denn wenn der Kandidat gewinnen sollte, dann würde er selbst um einiges mehr an Steuern zahlen
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