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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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müssen. Ein Jahr später erfuhr ich, dass gegen diesen Kunden ermittelt wurde, weil er in eine ziemlich große, ziemlich finstere Steuerhinterziehungsgeschichte verwickelt war. Er wollte einfach nur sicherstellen, dass andere mehr Steuern zahlen.
    In den letzten Jahren hat sich eine Freundschaft entwickelt zwischen mir und dem Aktivisten Ralph Nader und ich bemerkte sich widersprechende Eigenschaften bei ihm. Abgesehen von seiner erstaunlichen Zivilcourage und seiner völligen Immunität gegen Verleumdungskampagnen gibt es bei ihm nicht den geringsten Unterschied zwischen dem, was er sagt, und der Art, wie er lebt. So ähnlich wie bei Heiligen – sie setzen ihre Seele aufs Spiel. Der Mann ist ein weltlicher Heiliger.
    Mit Leib und Seele
    Es gibt eine Klasse von Menschen, die dem bürokratisch-journalistischen Geschwätz entgeht: diejenigen, die noch mehr aufs Spiel setzen als ihre Haut. Sie setzen auch ihre Seele aufs Spiel.
    Man denke nur an Propheten. Prophezeiungen sind in erster Linie ein Glaubensbekenntnis. Ein Prophet ist nicht jemand, der als Erster eine Idee hat; er ist der Erste, der an eine Idee glaubt und sie konsequent umsetzt.
    Im zwanzigsten Kapitel habe ich gezeigt, dass wahre Prophezeiung ein subtraktiver Akt ist und in der Entdeckung von Fragilität besteht. Seine Haut aufs Spiel setzen (und die Nachteile in Kauf nehmen) ist das, was den wirklichen Denker von den Ex-post-Schwätzern unterscheidet und ihn nur noch einen Schritt vom Rang eines Propheten entfernt sein lässt. Es ist eine Frage der Festlegung – Philosophen bezeichnen sie als doxastische Festlegung ( doxastic commitment ), eine Art Überzeugungsschwur, der nach der Auffassung von Fat Tony und Nero notwendigerweise in die Tat umgesetzt werden musste (der umgekehrte Stiglitz). Doxa bedeutete im Griechischen »Glaube« in Unterscheidung von »Wissen« ( episteme ); in der griechischen Kirche nahm der Begriff doxa die Bedeutung Verherrlichung an, woraus klar hervorgeht, dass es sich dabei um eine Festlegung und eine Verpflichtung handelt, die über das reine Reden hinausgeht.
    Das Gesagte gilt für sämtliche Arten von Ideen und Theorien: Die wichtigste Person hinter einer Theorie, diejenige, die als ihr Urheber gelten darf, ist derjenige, der auf doxastische Weise daran glaubte und sich mit allen Konsequenzen darauf einließ, um sie zu ihrem natürlichen Ende zu führen, und nicht unbedingt der Erste, der eine Theorie beim Dessert oder in einer Fußnote erwähnte.
    Nur wer wirklich an etwas glaubt, wird es vermeiden, irgendwann in Widerspruch zu sich selbst zu geraten und den Irrtümern der Postgnostik aufzusitzen.
    Optionen, Antifragilität und soziale Gerechtigkeit
    Der Aktienmarkt ist der größte, in industriellem Ausmaß betriebene Antifragilitätstransfer in der Geschichte der Menschheit – und beruht ausschließlich auf einer bösartigen Form von Asymmetrie hinsichtlich der Bereitschaft, seine Haut aufs Spiel zu setzen. Ich spreche nicht von Investments, sondern vom gegenwärtig üblichen System, Investments in Aktien »öffentlicher« Unternehmen zu bündeln, mit Managern, denen es freisteht, das System abzuzocken, und die natürlich in höherem Ansehen stehen als die wahren Risikoträger, die Privatunternehmer.
    Das Agency-Problem manifestiert sich überaus deutlich in folgendem Zusammenhang. Es gibt einen Unterschied zwischen einem Manager, der eine Firma leitet, die nicht ihm gehört, und einem inhabergeführten Betrieb, in dem der Geschäftsführer keinem außer sich selbst Rechenschaft geben und auch selbst für alle Risiken und Verluste einstehen muss. Manager in Unternehmen haben Leistungsanreize ohne deren Gegenstück, den negativen Anreiz, das Abschreckungsmittel – ein Umstand, welcher der Öffentlichkeit nicht bewusst ist; hier herrscht die Illusion vor, dass bei den Leistungsanreizen für Manager alles mit rechten Dingen zugeht. Diesen Managern wurden von den unschuldigen Sparern und Investoren freie Optionen übertragen. Ich spreche hier, es sei noch einmal wiederholt, von Managern in Betrieben, die nicht vom Besitzer geführt werden.
    Vom Zeitpunkt der Abfassung dieses Buches aus gesehen hat der Aktienmarkt der Vereinigten Staaten in den vergangenen zwölf Jahren die Rentner über drei Billionen Dollar an Verlust gekostet, verglichen mit den in staatlichen Geldmarktfonds angelegten Geldern (ich rechne großzügig, der Unterschied ist eigentlich sogar noch beträchtlicher), während die Manager großer

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