Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
von ihnen, Francesco Castello, ging es im Jahr 1360 allerdings tatsächlich an den Kragen). Heutzutage bedient sich nur noch die Mafia derartiger Methoden zur Beseitigung freier Optionen. Im Jahr 1980 floh der »Vatikan-Banker« Roberto Calvi, Generaldirektor der Banco Ambrosiano, nach dem Zusammenbruch der Bank nach London. Dort, so hieß es, beging er Selbstmord – als ob Italien als Schauplatz derartiger Dramen nicht mehr in Frage käme. Kürzlich wurde enthüllt, dass der angebliche Selbstmord wohl keiner gewesen war; die Mafia hatte ihn umgebracht, weil er ihr Geld verloren hatte. Dasselbe Schicksal ereilte den Las-Vegas-Pionier Bugsy Siegel, der ein Casino besaß, in das die Mafia Geld investiert hatte, das aber nicht genug Gewinn abwarf.
Und in einigen Ländern wie Brasilien werden sogar heute noch Banker unbeschränkt für den Umfang ihrer Aktiva haftbar gemacht.
Welcher Adam Smith?
Viele Vertreter der Rechten, die sich zugunsten von Großkonzernen aussprechen, führen ständig Adam Smith im Munde, den berühmten Schutzheiligen des »Kapitalismus« (Adam Smith selbst hat das Wort nie benutzt), ohne ihn je gelesen zu haben, oder sie benutzen das wenige, was sie kennen, zur Selbstbestätigung – in Äußerungen, die er so, wie sie präsentiert werden, sicher nie unterschreiben würde. 92
In Buch IV seines Werks Der Wohlstand der Nationen äußerte Smith sich extrem zurückhaltend zu der Vorstellung, dass einer Person nur Vorteile ohne Nachteile zufallen sollen, und er hatte Zweifel bezüglich der beschränkten Haftung von Kapitalgesellschaften (dem Vorläufer der heutigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung). Bis zur Idee der Antifragilität drang er nicht vor, allerdings kam er ihr doch recht nahe. Und man kann sagen, dass er quasi das Problem entdeckte, das daraus resultiert, dass man das Unternehmen eines anderen verwaltet – entsprechend dem Piloten, der nicht selbst im Flugzeug sitzt:
Die Direktoren solcher Gesellschaften sind allerdings eher Verwalter von anderer Leute Geld als von ihrem eigenen, und es lässt sich daher kaum erwarten, dass sie darüber mit derselben ängstlichen Sorgfalt wachen wie Partner in einer privaten Partnerschaft, die über ihr eigenes Geld wachen.
Smith bezweifelt sogar ihre Wirtschaftlichkeit, wenn er schreibt: »Kapitalgesellschaften im Auslandshandel waren nur selten dazu in der Lage, im Wettbewerb mit privaten Unternehmern mitzuhalten.«
Die zentralen Punkte seien noch einmal unterstrichen: Die optimale Version von »Kapitalismus« oder überhaupt von jeglichem beliebigem Wirtschaftssystem sieht so aus, dass möglichst wenig Menschen in die linke Spalte der Triade eingeordnet werden müssen. Keinem ist bislang aufgefallen, dass das zentrale Problem des Sowjetsystems darin bestand, dass alle, die für das Wirtschaftssystem verantwortlich waren, in dieser entsetzlichen fragilisierenden linken Spalte steckten.
Die Antifragilität und Moral (großer) Unternehmen
Sie haben vielleicht schon festgestellt, dass große Unternehmen Ihnen Junk-Drinks verkaufen, dass Wein und Käse dagegen aus kleinen Betrieben stammen. Gleichzeitig findet von den Kleinen hinüber zu den Großen ein Antifragilitätstransfer statt – bis die Großen kollabieren.
Das Problem der Geschäftswelt besteht darin, dass hier ausschließlich mit Hinzufügung ( Via Positiva ), nicht aber Wegnahme von etwas ( Via Negativa ) gearbeitet wird: Die Pharmaindustrie profitiert nicht davon, dass Sie keinen Zucker mehr zu sich nehmen; die Hersteller von Geräten für Fitnessstudios profitieren nicht davon, wenn Sie beschließen, von nun an Steine zu heben und in felsigem Gelände unterwegs zu sein (ohne Handy); Aktienhändler profitieren nicht davon, wenn Sie Ihre Investitionen auf das beschränken, was Sie mit eigenen Augen sehen können, etwa das Restaurant Ihres Vetters oder das Wohnhaus in Ihrer Nachbarschaft; all diese riesigen Firmen zielen auf »Ertragswachstum«, um der Metrik eines langsam oder bestenfalls halblangsam denkenden Analysten und graduierten Betriebswirts in New York gerecht zu werden. Natürlich werden sie sich irgendwann einmal selbst zerstören, aber das ist ein anderes Thema.
Nehmen Sie Firmen wie Coke oder Pepsi, die wahrscheinlich zu der Zeit, da der Leser diese Zeilen liest, noch existieren – was bedauerlich ist. Worin besteht ihr Geschäft? Sie verkaufen Zuckerwasser oder sogar Wasser mit Zuckerersatz, sie füllen Ihren Körper mit etwas ab, das Ihr biologisches Alarmsystem
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