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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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Verlustmaximum.
    Denn Antifragilität ist eine Kombination aus Aggressivität und Paranoia – man beseitigt das Risiko des Kursrückgangs, schützt sich gegen extreme Schädigungen und überlässt die Möglichkeit des Kursgewinns, also positiver Schwarzer Schwäne, sich selbst. Man erinnere sich an Senecas Asymmetrie: Das Überwiegen der Vorteile vor den Nachteilen war einfach die Folge davon, dass die extremen Nachteile (emotionale Beeinträchtigung) reduziert, nicht aber die Verhältnisse in der Mitte verbessert wurden.
    Eine Hantel kann jede duale Strategie sein, die sich unter Auslassung der korrumpierenden Mitte aus Extremen zusammensetzt – auf die eine oder andere Weise führen alle derartigen Vorgehensweisen zu günstigen Asymmetrien.
    Eine weitere Veranschaulichung des Unterschieds zwischen Hanteln und Nicht-Hanteln: In Restaurants wird der Hauptgang, beispielsweise das Minutensteak vom Weiderind und Salat (mit Malbec), vor dem und getrennt vom Dessert, bestehend aus Ziegenkäsekuchen (mit Muskateller), serviert. Man nimmt nicht erst Ihre Bestellung entgegen, schneidet dann Kuchen und Steak in kleine Stückchen und mixt alles mit einer dieser Maschinen, die so viel Krach machen, zusammen. Aktivitäten »in der Mitte« sind mit einer solchen Vermengung zu vergleichen. Sie werden sich erinnern, dass Nero im neunten Kapitel mit Hausmeistern und Wissenschaftlern verkehrte, aber kaum einmal mit Angehörigen der Mittelschicht.
    In riskanten Situationen sehe ich es gar nicht gern, wenn alle Mitglieder des Flugpersonals »vorsichtig optimistisch« oder sonst irgendetwas in mittlerer Gefühlslage sind. Ich ziehe dann Flugbegleiter vor, die extrem optimistisch sind, und einen Piloten, der extrem pessimistisch, ja idealerweise paranoid ist.
    Der Buchhalter und der Rockstar
    In biologischen Systemen treten Hantelstrategien häufig auf. Man nehme als Beispiel das Paarungsverhalten. Ich bezeichne es als »90 Prozent Buchhalter, 10 Prozent Rockstar« (und gebe nur Fakten wieder; nicht dass Sie meinen, ich würde das billigen). Im Tierreich haben die Weibchen bei einigen monogamen Gattungen (darunter der Homo sapiens) die Tendenz, etwas Ähnliches wie einen Buchhalter oder, noch farbloser, einen Wirtschaftswissenschaftler zu heiraten, ein Männchen zuverlässigen Zuschnitts, das für den Lebensunterhalt sorgen kann; und hin und wieder haben sie ein Techtelmechtel mit dem aggressiven Alphatypen, dem Rockstar. Ganz klar eine duale Strategie. Die Weibchen begrenzen die möglichen Nachteile, indem sie sich auf Kopulation außerhalb des Paarverbunds einlassen, um sich die genetischen Vorteile zu sichern oder einen Heidenspaß zu haben, oder beides. Sogar das Timing der Seitensprünge scheint nicht zufällig zu sein, korrespondiert es doch mit Perioden einer hohen Schwängerungswahrscheinlichkeit. Belegen lässt sich diese Strategie mit Beobachtungen bei den so genannten monogamen Vögeln: Offensichtlich finden die Weibchen Gefallen am Fremdgehen, denn über ein Zehntel des Nachwuchses stammt von einem anderen als dem vermeintlichen Vater. Das Phänomen existiert, die Theorien dazu variieren. Evolutionstheoretiker vertreten die These, es gehe den Weibchen einerseits um ökonomische und soziale Stabilität und andererseits um gute Gene für ihre Kinder. Man kann nicht erwarten, dass ein Vertreter der Mitte all diese Tugenden in sich vereinigt (Lieferanten von guten Genen, also Alphamännchen, sind sehr wahrscheinlich nicht zuverlässig und umgekehrt). Warum aber sollte man nicht den Kuchen behalten und gleichzeitig verzehren? Einen gesicherten Lebenswandel kombinieren mit guten Genen? Es gibt aber auch die andere Theorie, dass es den Weibchen nur um ihr Vergnügen geht – sie wollen sowohl ein gesichertes Leben führen als auch ihren Spaß haben. 39
    Im zweiten Kapitel habe ich bereits darauf hingewiesen, dass funktionierende Überkompensation nicht ohne Schädigungen und Stressoren auskommt, die als Entdeckungs- und Erkenntnisinstrumente fungieren. Also sollte man Kinder ein wenig – aber nicht sehr viel mehr als ein wenig – mit Feuer spielen lassen, nur so, aus Verletzungen, lernen sie etwas für ihre zukünftige Sicherheit. Auch sollte man Menschen die Möglichkeit eröffnen, ein gewisses Maß – nicht zu viel – an Belastung zu erfahren, um sie ein wenig aufzuwecken. Aber gleichzeitig müssen sie vor großen Gefahren in Schutz genommen werden – kleine Gefahren kann man getrost ignorieren, man sollte seine Energie

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