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Antiheld (German Edition)

Antiheld (German Edition)

Titel: Antiheld (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stiff Chainey
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Körper sind auf ein Viertel ihres normalen Umfangs geschmolzen. Einige wurden so komprimiert, dass sie wie ein Rucksack aussehen - verschmort zu einem Klumpen aus Haut, Organen und einem deutlich erkennbaren Gesicht dort, wo sich normalerweise der Reißverschluss befindet.
    Die Wucht der Explosion hat viele Personen einfach zerfetzt. Überall liegen Arme, Beine, geschwärzte Torsi, sie wirken unecht. Dazwischen Köpfe, die von umherfliegenden Metallteilen abgetrennt wurden. Sie sind von Hautfetzen und geschmolzenen Haaren verklebt. Unter riesigen Betonteilen, die aus dem Gebäude gerissen wurden, dringen erstickte Schmerzensschreie hervor.
    Alles, was übrig bleibt, ist ein Spalier aus schmorenden Skeletten. Ich sehe den Schulsprecher, der weinend aus den brennenden Trümmern kriecht. Seine Haut hängt in Fetzen an ihm herunter, genau wie auf der Fotografie des nackten vietnamesischen Kindes, das vor dem Feuer und den amerikanischen Soldaten wegläuft.
    Er bricht vor mir zusammen und stammelt: «Und was wird jetzt aus meinen Studium der Wirtschaftsinformatik?»
    Ich trete auf seinen Kopf, der wie ein fettes Insekt aufplatzt, und noch im gleichen Moment ärgere ich mich, weil sein Hirn mit all den großen Plänen meine nagelneuen Airwalk -Schuhe versaut hat.

    Die Cafeteria ist voll. Jede Menge kleine Wichser, die sich alle was zum Fressen besorgen müssen, weil ihre Eltern zu beschissen beschäftigt sind, um ihnen ein Pausenbrot zu schmieren. Ich kenne das. Während ich in den Kursraum gehe, sortiere ich meine Gedanken.

Frühstück in Neuschwabenland

    «Gute Erziehung besteht darin, zu verbergen, wie sehr man sich selbst schätzt und wie wenig die anderen.»
    Jean Cocteau

    Alle Blicke sind auf mich gerichtet. Nadine glotzt direkt unverhohlen. Bei diesem Anblick muss ich spontan an den Pavianfelsen denken und wie sich all die mongoloiden Alphamännchen um sie, beziehungsweise um die Reihenfolge, in der sie sie vergewaltigen, prügeln würden.
    Hillemann starrt leicht misstrauisch in meine Richtung. Dazu gibt es eigentlich keinen Grund, denn natürlich hat er meine Erzählung vorab gelesen. Das war seine Bedingung: Ich darf mich entschuldigen, wenn ich es ernst meine, wenn ich bereit bin, aufrichtig zu sühnen . Diese Ernsthaftigkeit ist obligat, sagte er, und selbstverständlich müsse er die Geschichte persönlich überprüfen, schließlich sei er der verantwortliche Lehrkörper und könne es nicht zulassen, dass ich die Klasse erneut mit einer sinnlosen Provokation schockiere. Er könne nicht zulassen, dass ich ganz bewusst und zum wiederholten Male die Grenzen des guten Geschmacks mit meinen zutiefst menschenverachtenden Machwerken übertreten und den Kurs dafür als Publikum missbrauchen würde. Und so bekam er eben eine herzzerreißende Erzählung zu lesen, eine pathetische Story voller Wärme und Mitgefühl, denn die gediegen altruistische Leier zieht ja schlussendlich immer wieder.
    Kaum schreibt man über einen Todkranken, der im Sterben seine letzte Chance wahrnimmt, der Welt zu beweisen, dass er nicht das Arschloch ist, für den ihn alle immer gehalten haben, ist es seriös und wichtig. Diese Art der Verklärung funktioniert ebenso blendend mit missbrauchten Kindern, Schwulen, Juden, Schwarzen, Immigranten, Freaks mit seltenen Krankheiten, Minderheiten jeglicher Art, die mit ihrem schrecklich unterdrückten Minderheitendasein allerorts demütig hausieren gehen.
    Toppen würde das Ganze nur eine transsexuelle, zwergenwüchsige Negerin, die Crack raucht und sich in einen HIV-positiven Hermaphroditen verliebt.
    Hillemann ließ sich drei volle Tage Zeit, mir seine Entscheidung mitzuteilen. Natürlich war das Ganze nichts weiter als eine Art Schauspiel. Der vorletzte, monströse Akt. Eine theatralische Darbietung seiner Macht über mich .
    Doch Hillemann ist eben Pädagoge. Das Talent für feinsinnige Manipulation und lakonische Demütigung ist ihm naturgemäß nicht gegeben. Anstatt Gelassenheit an den Tag zu legen, war er lediglich dazu imstande, seiner durch und durch grobschlächtigen Strategie zu folgen. Es war so leicht zu durchschauen. Sogar soweit durchschaubar, dass sich sein Gehabe ins genaue Gegenteil verkehrte.
    Da wollte er beweisen, wie klein ich eigentlich bin, und hat nur bewiesen, was ich schon seit Langem weiß, nämlich dass er eben nur ein schmieriger, aufgeblasener Idiot ist, der mich zu allem Überfluss auch noch viel zu sehr an meinen Alten erinnert.
    Ihm den ersten Sieg zu überlassen,

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