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Antiheld (German Edition)

Antiheld (German Edition)

Titel: Antiheld (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stiff Chainey
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Midlife-Crisis-Geschwätz und die daraus resultierenden Eskapaden erspart bleiben: keine fetten Männer auf chromblitzenden Harley Davidson-Motorrädern, keine Aussteiger, die sich auf kargen Felsinseln von Grashalmen und Licht ernähren.
    Es wäre ganz einfach: Kleine, gut bewaffnete Truppen würden die Personen mit rundem Geburtstag selektieren, man würde ihnen die Haare scheren und sie schließlich unter ständigem Anspucken, Faustschlägen und morbiden Sprechgesängen auf den Marktplatz führen.

Keine Macht, kein Niemand

    Als Bibby die Polizisten erblickte, große, schwere Männer in futuristisch wirkenden Schutzpanzern, da dachte sie spontan über die Herausbildung des Gewaltmonopols als Spezifika des bürgerlichen Staates nach.
    Sie war sich bewusst, dass es in seiner Ausprägung nichts anderes als der Verzicht der Naturrechte des freien Menschen bedeutete. Natürlich musste man anerkennen, dass dies zwar ein historischer Fortschritt gegenüber dem Faustrecht oder der reinen Willkür darstellte, doch nichts konnte darüber hinwegtäuschen, dass diese bewaffneten Formationen lediglich die Partikularinteressen der herrschende Rechtsordnung verteidigten, notfalls mit repressiver Gewalt.
    Selbstverständlich durchschaute sie dieses billige Spiel: Wie schnell kann man die Feindbilder austauschen, wenn man die Medien, die Maschine zur Meinungsmache, kontrolliert? Ein verbrieftes Widerstandsrecht jedenfalls gab es nur einmal in der Geschichte, und zwar in der französischen Revolutionsverfassung von 1793.
    Bibby dachte in einem erweiterten Gewaltbegriff, der Funktion, Rolle und Inhalt impliziert. Unterschiedslose Randale, die medial stets bis ins letzte Detail ausgeschlachtet wurden, galten auch ihr als kontraproduktiv für die Vermittlung ihrer Anliegen. Der Staat nutzt diese Gewalt, kalkuliert sie ein, konstruiert Feindbilder und bedient sich den Mechanismen der psychologischen Kriegsführung. Spaltung. Entsolidarisierung. Kriminalisierung.

    Das Vibrieren ihres Handy bekommt sie nicht mit.

A C A B

    «Eine einzige Idee hat unser Jahrhundert, unter- stützt von zwei zeitgenössischen Säulen, der Psychologie von Freud und dem Sozialismus von Marx, dominiert, nämlich dass das Individuum nicht die Hauptverantwortung dafür trägt, was es ist und tut. Diese zwei a priori Konzepte men- schlicher Erfahrung machen uns zu verwundbaren und machtlosen Individuen, die umsorgt werden wollen.»
    Dr. Lyle Rossiter

    Ich renne ziellos durch die Straßen, in einem Zustand, den Philosophen als luzide bezeichnen würden; ich nehme alles wahr, ob ich will oder nicht. Jedes Gesicht erscheint mir in seiner Reinform, kein Weichzeichner, der sie erträglich macht, einfach nur Fressen, so wie sie sind. Traurig und verbittert. Hilflos.
    Ich habe ihn auch in Andors Gesicht erkannt, diesen ganz bestimmten Ausdruck der Hilflosigkeit. Der Leere. Dieses Zombiehafte. Ich empfinde Ekel. Vor ihm, vor mir, vor dem, was wir geworden sind, was wir getan haben. Wir sind Kinder der großen Nausea , der Übelkeit, in der nur die Angst übrig geblieben ist.
    Menschenmassen tauchen vor mir auf. Sie alle wollen zur Demo und drängen in die Innenstadt. Ich kann ihre Ausdünstungen riechen; es ist der Geruch ihrer Heimat. Der Geruch nach Zimmern, in denen Erinnerungsfotos an den Wänden hängen, in denen alles heil und nichts zerbrochen ist.
    Ihr Gebrüll schmerzt in meinen Ohren, und augenblicklich beginne ich, sie aus tiefstem Herzen zu verachten. Nicht aus einem bestimmten Grund, einfach weil sie sind. Dennoch lasse ich mich mitreißen. Irgendetwas in den hintersten Regionen meines Gehirns wird stimuliert, eine flüchtige Erinnerung an das große Kollektiv vielleicht. Der Mensch, ein Herdentier.
    Dann bin ich unter ihnen, gehe in ihnen auf. Für einen Moment werde ich sogar so wie sie. Für einen kurzen Augenblick spüre ich eine seltsame Verbundenheit mit diesen fremden Wesen und empfinde dieselbe Wut. Doch dann komme ich zu mir und spüre, dass ich immer allein sein werde, so wie jeder von diesen anderen, diesen fremden Wesen immer allein sein wird.
    Bullen stehen an der nächsten Straßenkreuzung in einer bizarren Phalanx. Eine einsame, brutale Armee. In ihren Uniformen sehen sie aus wie moderne, hoch gerüstete Raubtiere.
    Die Aggression ist spürbar, der Mob wiegelt sich auf, Eskalation droht. Die Kinder arrivierter Bildungsbürger, die wohlgenährten Nachkommen des gefestigten Mittelstandes – sie alle lieben Gewalt. Sie lieben das

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