Antiheld - Thriller (German Edition)
Jeff hämisch. »Da hast du deine Dusche.«
»Das ist nicht komisch!«
Jeff vernahm ihre Verzweiflung. Er selbst war diese Situationen gewöhnt, lebte er schließlich bereits über 20 Jahre auf der Straße. Roxy hingegen, mit ihren süßen sechszehn, war noch zu sehr an das moderne zivilisierte Leben gewöhnt. Es war ihr keineswegs zu verübeln.
Der Regen wurde stärker. Er fing als Nieselregen an und stach nun wie Eisennägel in sein Gesicht. Hinzu kam eine starke Windböe, die Laub und Abfall hinfort wehte.
»Wir sollten uns lieber vom Acker machen.« Doch hörte er be reits, wie Roxy den Anhänger bepackte.
Gutes Mädchen.
»Los, steig auf!« Roxy saß bereits auf dem Sattel des Fahrrades. Immer wieder nahm ihr die lang gewachsene Seite ihres Schopfes die Sicht. Der Versuch die Haare in die entgegengesetzte Richtung zu pusten scheiterte.
»Und wohin bringen Sie mich, wenn ich fragen darf?« Jeff stand auf seinen Beinen und tastete nach dem Anhänger. Roxy half ihm, indem sie seine Hand nahm.
»Danke.« Zum Schutz vor der Kälte, legte er sich eine Wolldecke um die Beine, die er leicht angezogen hatte, um überhaupt auf die Fläche des Anhängers zu passen. Immerhin lagerte doch auch noch ihr gesamtes Hab und Gut. Einerseits machte sich Jeff Vor würfe, nicht selbst den Anhänger fahren zu können. Auf der an deren Seite war Roxy ein junges vitales Mädchen. Er dagegen ein gebrechlicher blinder Mann. Jeff sah es keineswegs als Selbstver ständlichkeit an. Er wusste nur zu gut, was er an ihr hatte.
Roxy entfuhr ein anstrengendes Ächzen, als sie in die Pedale trat. Als das Fahrrad erst einmal Antrieb genommen hatte, fiel der Rest schon weniger schwer. Sie kamen voran, wenn auch nur langsam. Selbst die Leute, die zu Fuß unterwegs waren, überholten sie spielerisch.
»Wird Zeit, dass ich den ...« Ein weiteres Ächzen. »Dass ich den Führerschein mache.«
»Der wieder einen Haufen Schotter kostet. Ebenso wie das Auto selbst, der Sprit-«, begann Jeff aufzuzählen, als er merkte, wie das Fahrrad ruckartig stoppte, sodass er beinahe vornüber aus dem Anhänger gefallen wäre. Seine Finger krallten sich an diesen fest, als er den Blick hob. Er wollte bereits fragen, was los war, als ihm Roxy die Antwort in nicht interpretieren Worten lieferte.
»Kacke, was zur Hölle ist das?«
Jeff spürte den Regen, wie er unerbittlich auf seinen Kopf nie derprasselte.
Und den Matsch, der ihn mit jedem seiner behutsamen Schritte zu verschlingen drohte. Jeff fühlte sich in die Vergangenheit zu rückversetzt. Es regnete – wie auch heute – in Strömen. Seine Mannschaftskameraden und er wateten durch die braune Suppe Vietnams. Er, der jüngste von allen, bildete die Nachhut. Mit dem Gewehr in den zittrigen Händen hielt er dicht mit den anderen mit. Seine Kameraden waren Jeff um einiges voraus.
Denn hatten sie schon einmal, im Gegensatz zu ihm, eine Leiche gesehen.
Es war dieser bestialisch penetrante Geruch, der sie in die Rich tung lockte. Es roch weder nach Scheiße, noch nach Erbroche nem. Es roch vermodert, abgestanden. Es roch nach Tod.
Die Vorhut gab den anderen ein Zeichen stehen zu bleiben. Sie gehorchten, gingen in die Hocke, wobei sie noch tiefer in den Schlamm rutschten. Dann trat ihr Hauptmann vor. Watete wie ein Raubtier auf der Jagd durch das Dickicht des Dschungels, hin durch zu der Beute.
Sie sahen, wie er sein Gewehr hob, zielte und dieses sodann wieder sinken ließ. Erneut gab er ihnen ein Zeichen. Sie sollten näher kommen.
Chester, ein Schwarzer, dessen Unterlippe bereits vernarbt war, bevor er seinen Dienst angetreten hatte, nickte den anderen zu. Trotz der Ruhe, die der Hauptmann ausstrahlte, blieben die ande ren auf der Hut.
Dann sahen auch sie es.
Das unförmige Etwas, das mit dem Gesicht voran in einer tiefen Wasserpfütze lag. Der Stoff der Kleidung spannte sich eng um das aufgedunsene Fleisch. Die Haut, die frei lag, war in einem bläulich grauen Ton angelaufen.
Der Hauptmann schubste mit der Spitze des Gewehrs den schwarzen Haarschopf an, aus dessen geöffnetem Schädel Hirn masse heraus lief. Einige Maden fraßen sich bereits durch das schmackhafte Mahl.
Nach der Uniform zu urteilen, war es kein Amerikaner. Ein Vi etnamese, der entweder von seinen eigenen Leuten ermordet wurde oder aber – und davon ging auch der Hauptmann aus – Selbstmord beging, weil er dem Druck einfach nicht mehr stand hielt. Er schien bereits eine Weile dort im Wasser gelegen zu ha ben, so aufgeschwemmt
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