Anton Pfeiffer und der Zauberkongress (German Edition)
wärtsflug und legte sich in die Waagerechte. Parallel zum Horizont ging es weiter, während Anton sich mit letzter Kraft am Stiel hochzog. Seine Mütze war ihm tief ins G e sicht gerutscht, und er klammerte sich an Oskars Rücken.
„Meine Güte.. “ , war alles, was er heraus brachte.
Eine Weile flogen sie schweigend. Unten über der Lichtung zuckten immer noch Lichtblitze durch die Luft, und Anton hatte das Gefühl, dass der wütende Schrei der Beauty-Hexe in seinen Ohren leise nachhallte.
Langsam wich die Kälte aus seinen Gliedern. Ganz still und friedlich war es hier oben. Tief unter ihnen glitt die Waldlandschaft dahin, und in der Ferne konnte man die Umrisse der Stadt erkennen. Glitzernde, hellrote Wolke n schliere durchzogen den Horizont, und es schien, als wü r de der Besen geradewegs ins Abendrot des Himmels hi n ein fliegen.
Nach einer Weile tauchten die Hochhäuser des Ec k buschs in der Ferne auf. Dahinter schob sich die Sonne als purpurne Kugel hervor, die gerade im Begriff war unterz u gehen.
Lautlos überflogen sie blasse Häuserreihen, deren schneenasse Dächer im hellroten Licht der Abendsonne glitzerten.
Oskar drehte sich zu Anton um. „Da bist du ja noc h mal mit dem Schrecken davon gekommen!“
„Das kannst du laut sagen…“
Oskar lächelte. „Die Tischuhr ist übrigens wieder au f getaucht. Stell dir vor, ihr Schluckauf ist weg. Wir haben sie dem Problemlöser überlassen, als kleines Abschiedsg e schenk.“
Oskar griff in seine Jackentasche und zog die Algebrabrille hervor. „Die soll ich dir von Emma geben. Du brauchst sie morgen für deine Mathearbeit , nicht wahr?“
„Vielen Dank!“ Anton griff das Brillengestell und steckte es vorsichtig in seine Tasche.
„Sag ihr einen lieben Gruß, dafür revanchiere ich mich natürlich.. “
Oskar machte eine abwehrende Handbewegung. „Ach, ist doch selbstverständlich.“ Er musterte Anton. „Und jetzt bring ich dich nach Hause, oder?“
„Das wäre nett“, nickte Anton.
Schweigend überflogen sie die Hochhäuser des Ec k buschs und näherten sich langsam der Birkenhöhe. Hinter Antons Wohnanlage ließ Oskar den Besen tiefer sinken, bis ihre Füße neben den Garagen im Hinterhof den Boden berührten. Anton stieg ab.
„Heute hast du dir den Feierabend aber wirklich ve r dient!“, grinste Oskar vom Besenstiel hinunter. „Viel Glück morgen bei deiner Mathearbeit , wir sehen uns!“
Und schon stieg der Besen wieder aufwärts, und düste samt Oskar über den Dächern der Wohnanlage davon.
Anton schaute ihm noch einen Moment lang hinterher. Dann ging er über den Innenhof in Richtung Hauseingang.
Keine Menschenseele war unterwegs. Alles sah aufg e räumt aus, und im Abendlicht wirkten die Umrisse der grauen Häuserblöcke fast unwirklich und wie mit dem Lineal gezeichnet.
Anton schloss die Haustür auf und fuhr mit dem Fah r stuhl nach oben. Als er die Wohnungstür öffnete, sah er, dass in der Küche Licht brannte.
Marie Pfeiffer saß am Küchentisch. Neben ihr auf dem Boden standen Einkaufstüten, große und kleine, bis an die Ränder gefüllt. Offenbar hatte sie Weihnachtseinkäufe getätigt: Aus einer Tüte ragten Tannenzweige, aus einer anderen Verpackungen mit Weihnachtsdeko und Tanne n baumkerzen.
Aber das war noch nicht alles. Vor ihr auf dem Tisch standen mehrere Packungen mit Backmischungen. „Dr. Oetker Apfel-Zimtkuchen“ war dabei, daneben eine aufg e rissene Tüte Mehl, drei Eier und eine Küchenschüssel mit einem Stück Butter darin.
Als Anton eintrat, hob seine Mutter den Kopf. Ihre Augen sahen verquollen aus, und eine Spur von schwa r zem Mascara lief an ihren Wangen hinunter.
Erschrocken sah Anton sie an. „Mama? Alles in Or d nung?“
Mit leerem Blick schaute Marie Pfeiffer zu ihrem Sohn hinüber. Dann deutete sie auf die Küchenschüssel.
„Ich habe die Vanilleschoten vergessen.“
„Was?“
„Ich habe die Vanilleschoten vergessen“, wiederholte sie, und ihre Stimme kippte zu einem Schluchzen.
„Aber wofür brauchst du die denn?“
„Vanillekipferl natürlich!“
„Aber sowas machst du doch sonst nicht?“ Anton schüttelte ratlos den Kopf. Solange er denken konnte, hatte er seine Mutter noch nie beim Weihnachtsbacken erlebt.
„Doch, dieses Jahr mache ich das…“, sagte Marie Pfeiffer trotzig und wischte sich eine Träne von der Wa n ge.
Anton betrachtete seine zusammengekauerte Mutter hinter dem Küchentisch. Dann ging er zum Tisch und begann, die Sachen beiseite zu
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