Anton Pfeiffer und der Zauberkongress (German Edition)
Umso verdächtiger Valpurgia St o nes blendende Optik. Wie alt war sie überhaupt?
Oskar ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Menschenkinder waren hier keine zu sehen, aber das hatte nichts zu sagen. Für erfahrene Magier war es ein Leichtes, mikroskopisch kleine Universen aus dem Nichts entstehen zu lassen. Gut möglich, dass Valpurgia ihre Opfer auf der millimetergroßen Galaxie einer Kopfschmerztablette au f bewahrte.
Er musste nach anderen Spuren suchen.
Oskar durchquerte den Salon, der am anderen Ende von einem violetten Samtvorhang begrenzt war. Mit Sherlock -Holmes-Blick spähte er durch den Vorhangspalt und schob sich hindurch.
Hier lag der hintere Teil des Raums, offenbar das L a bor. Ein feines Blubbern und Zischen durchzog die Luft, erzeugt von allerlei Gerätschaften, die sich zu beiden Se i ten an den Wänden entlang zogen.
Staunend schritt Oskar an den Apparaturen entlang. Einige von ihnen waren kastenförmig, andere oval oder mit Glasballonen bestückt. Und alle schienen irgendwie in Bewegung zu sein: In den Glasballonen brodelten Flüssi g keiten vor sich hin, aus kupfernen Spiralröhren stieg heller Wasserdampf, und dazwischen knisterten und ruckelten alchemistische Batterien, Barometer und Blasebälge.
Fasziniert blickte er nach oben zu den Regalen, auf d e nen Dutzende von Glasbehältnissen aufgestellt waren. „Algensubstrat“ stand auf dem einen, „Schlangenatem“ oder „Plutoniumwolle“ auf zwei anderen. Eins musste man Valpurgia lassen, mit ihrer Forschung war sie auf der Höhe der Zeit. Ein leichtes Frösteln überkam ihn, denn der Inhalt mancher Behältnisse schien noch am Leben zu sein.
Hinter einer Glaswand mit der Aufschrift „ Schrödingers Frösche“ befand sich eine breiig grüne Ma s se mit verstreuten Augäpfeln, deren Pupillen ihm irgen d wie durch den Raum zu folgen schienen.
Oskar blieb vor einem Tisch mit Spiegel stehen.
Offenbar der Schminktisch der Beauty-Hexe. Ein paar Fläschchen mit eingravierten Seejungfrauen zierten die Spiegelwand. Und eine bauchige Karaffe, deren Glasve r schluss die Form eines Kussmundes hatte.
Neugierig hob er den Verschluss ein Stückchen an, um an dem Inhalt zu schnuppern.
Im selben Moment schoss ein hellroter Dampf heraus. Erschrocken ließ Oskar den Verschluss zuschnappen und hielt sich die Hand vor den Mund.
Entsetzt starrte er in sein Spiegelbild: Seine Lippen ha t ten nun die Form eines rosarot glänzenden Kussmundes!
Ein Stück entfernt befand sich ein Waschbecken, doch als er den geschwungenen Wasserhahn aufdrehen wollte, entpuppte dieser sich als lebendiger Schwanenhals, der fauchend nach ihm schnappte. Wo waren die Papiert a schentücher? Aus einem Karton auf dem Schminktisch ragte ein weißes Tüchlein. Doch kaum hatte er es heraus gezogen, lugte auch schon das nächste hervor, wand sich grazil aus der Öffnung und flatterte als hauchdünne, weiße Schwalbe durch den Salon. Und schon folgten weitere, bis ein ganzer Schwarm über seinem Kopf segelte.
Hektisch griff Oskar nach den fliegenden Taschent ü chern und stopfte sie zurück in die Kartonöffnung.
Als er das letzte eingefangen hatte, blieb sein Blick auf der gegenüberliegenden Wand hängen, die mit Bildern übersät war. Fotos von Valpurgia in verschiedenen Posen und Schnappschüsse mit Prominenten.
Ha, und hier war er, der Beweis! Ein gerahmtes Zeu g nis – „Zertifikat im Köpfen“. Aber als Oskar näher trat, stellte er enttäuscht fest, dass es „Schröpfen“ hieß.
Ein Stück weiter am Rand hing ein besonders wucht i ges Gemälde. Der dunkle Holzrahmen sah alt und wertvoll aus, und das Bild war von einem staubig schimmernden Samtvorhang verdeckt.
Neugierig zog Oskar ihn zur Seite. Und sprang e r schrocken zurück.
Das Bild zeigte eine Dame. Sie trug einen langen, schwarzen Mantel mit auffälligem Kragen und hatte weiße, nach hinten gekämmte Haare. Aber das war nicht das e i gentlich Furchterregende. Aus tiefen, dunklen Augenhö h len, die aussahen wie Gräber, stierten listige, kleine Augen hervor, so eindringlich, als wollten sie geradewegs aus dem Bild springen. Darunter gruben sich eingefallene Wangen wie Furchen durch ein schrumpeliges Gesicht. Besonders schlimm aber waren die Hände, deren Adern an krieche n de Würmer erinnerten.
Hastig zog Oskar den Vorhang wieder zu. Generati o nen von Feuchtigkeitscremes waren an dieser Dame ung e nutzt vorbeigegangen. Aber wer war das?
Ein Frösteln überkam ihn. Er drehte sich um, rannte
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