Anton Pfeiffer und der Zauberkongress (German Edition)
quer durch das Labor, vorbei am violetten Vorhang und hinaus aus dem Salon.
Als er vor der rosa Eingangstür zwischen den hellen Blättern der Baumkrone stand, war ihm wohler. Hinter ihm quoll der penetrante Duft von Hyazinthen aus dem Inneren des Baumstamms. Oskar zog die Tür hinter sich zu und atmete tief durch.
Die Sterne, der Kosmos und der ganze Rest
„Was ist denn mit dir passiert?“
Emma ließ das Buch, das sie gerade aus dem Regal g e zogen hatte, sinken. „Übst du für Karneval, oder ist das jetzt in Mode?“
„Du solltest etwas sorgfältiger arbeiten“, grinste Anton, „der Lippenstift ist ja total verschmiert.“
Unwillig wischte Oskar sich mit dem Ärmel über den Mund. „Jetzt lenkt nicht ab!“ Er fuchtelte mit den Armen durch die Luft. „Habt ihr nicht gehört, was ich gesagt h a be? Valpurgia spielt ein falsches Spiel! Sie ist uralt und hässlich. Ich habe es selbst gesehen…“
„Du hast ein Gemälde mit einer alten Frau gesehen“, stellte Emma fest, „mehr nicht. Vielleicht war das Valpurgias Großmutter?“ Sie lächelte milde. „Soll es ja geben, nicht wahr, Bilder von der Verwandtschaft. Aber Herr Krummbein hat halt manchmal etwas schwache Ne r ven…“
Oskars Kopf wurde rot. Fast so rot wie die verschmie r te Farbe auf seinen Lippen. „Ach, ihr seid mir zu blöd. Ihr werdet sehen, dass ich recht habe…“
Emma stellte das Buch zurück ins Regal. „So, ich gla u be, jetzt habe ich den richtigen Spruch gefunden.“
Sie ging zu einem der kleinen Schreibtische an der Fensterfront der Bibliothek. Dort lag die Algebrabrille . Im schummrigen Licht der Schreibtischlampe sahen die d i cken Gläser aus wie durchsichtige Flaschenböden. Emma seufzte, schloss die Augen und spreizte die Hände über der Brille. „Hoffentlich klappt es…“
Sie murmelte ein paar Sätze in einer unverständlichen Sprache, ein leiser Plopp erklang, und weißer Rauch stieg über der Brille auf.
Anton fuchtelte mit den Händen die Schwaden beiseite.
„Hm, nicht schlecht…“
„Tatsächlich, die Gläser sind viel dünner geworden!“
„Ja schon, aber…“
„Was aber…?“
„Irgendwie sieht die Brille jetzt komisch aus…“
„Was heißt denn hier komisch?“ Emma nahm die Brille und hielt sie zufrieden ins Licht. „Das ist der neuste Schrei! Haute Couture aus Paris ist das, total angesagt…“
Die Brillengläser waren tatsächlich viel dünner als vo r her. Allerdings hatte sich auch das Gestell verändert. Es erinnerte ein wenig an einen fröhlichen Schmetterling.
„Naja, wer`s mag…“ Oskar zog die Augenbrauen hoch. „Mir ist das zu viel Flower -Power…“
„Du bist überhaupt nicht gefragt.“ Emma wickelte die Brille in ein Taschentuch und ließ sie in ihre Manteltasche gleiten.
„Das wäre erledigt. Ich bin gespannt auf die Endau s scheidung morgen. Ich hab ein gutes Gefühl!“
In dem Moment hörten sie ein Geräusch von der and e ren Seite der Bibliothek. Es kam aus der Ecke gegenüber der Eingangstür.
Offenbar war noch jemand anwesend.
Der Winkel, aus dem das Geräusch kam, lag fast völlig im Dunkeln, abseits des staubigen Lichts der schmalen Bibliotheksfenster. Nur ein einziger Gegenstand war hier aufgestellt: ein dunkler Globus auf einem vergoldeten M e tallgestell. Und neben dem Globus stand Professor Rofius . Gedankenverloren drehte er an der schimmernden Kugel.
Als die Kinder näher traten, blickte er hoch.
Verwundert musterte er sie. „Sieh da, die Kinder vom Kongress. So sieht man sich wieder.“
„Es ist uns eine Ehre...“ Oskar und Emma machten e i ne leichte Verbeugung. Offenbar war das die übliche B e grüßungsform von berühmten Persönlichkeiten, und A n ton tat es ihnen gleich.
„Ach, was sollen die Förmlichkeiten...“ Professor Rofius lächelte.
„Ein großartiger Trick war das, Ihre Mondzauberei!“, sagte Emma mit tiefer Bewunderung in der Stimme, „auch die Presse hat davon berichtet!“
„Danke, mein Kind“, der Professor schmunzelte, „wie so oft, die einfachsten Zaubereien können die schönsten sein.“
Dann wandte er sich wieder dem Globus zu. Mit einem Finger tippte er auf die dunkle Oberfläche, und die Kugel begann sich zu drehen.
„Kennt ihr diese wunderbare Kugel?“
„Es ist ein Globus, sehr antik, nicht wahr?“, meinte Emma ehrfurchtsvoll.
„Nicht ganz, mein Kind.“ Der Professor tippte abe r mals auf die Oberfläche, und die Drehung beschleunigte sich.
„Ist dir nie aufgefallen, dass die
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