Antonias Wille
ihr neues Glück zu verdanken hatte. Sie verwarf diesen Gedanken zwar sofort wieder, doch die heimliche Freude, die sie verspürte, wärmte sie wie ein loderndes Feuer. Sie hatte alles richtig gemacht. Einmal im Leben hatte sie wirklich alles richtig gemacht.
Nachdem Rosanna noch einen Schluck Schnaps getrunken hatte, nahm sie den Brief wieder auf.
»Natürlich wünsche ich mir, dass wir noch einige Jahre miteinander verbringen dürfen â¦Â«
Ja, lieber GroÃvater, das hast du dir vor einem Jahr noch so gedacht, schoss es Simone durch den Sinn, aber den Zorn Gottes, den hast du nicht eingeplant.
»⦠trotzdem: Wenn ich gestorben bin, wirst du noch immer eine junge Frau sein, eine junge, unabhängige Frau â auch das habe ich dir ja versprochen.
Nun liegt es in deiner Hand, aus dieser Unabhängigkeit etwas zu machen.
Du besitzt den Hof, die Ländereien und den Wald â das ist deine Lebensgrundlage. Du liebst doch Kühe, also könntest du Milchkühe anschaffen, so wie Martha und ich früher welche hatten. Oder du könntest eine sanfte Forstwirtschaft führen â ein Teil der Bäume, die ich gesetzt habe, ist in ein paar Jahren so groÃ, dass sie abgeholzt werden können.
Dann sind da noch die Bienen. Für einen guten Honig zahlen die Leute â vor allem die verrückten Städter â nicht schlecht. Was die Kirschbäume angeht ⦠nun, es gibt gewisse Tätigkeiten, die für eine Frau einfach nicht geeignet sind, du weiÃt schon, was ich meine. Aber du bist eine wunderbare Köchin, verstehst dein Handwerk am Herd, also könntest du aus den Früchten Marmelade kochen und diese ebenfalls an die Städter verkaufen.«
»Die Städter, die Städter! Ein Leben lang hat er über die Gäste, die uns in Rombach besuchen, geschimpft. Jetzt plötzlich nimmt er sie so wichtig. Wie stellt er sich das vor? Sollst du wie eine Marketenderin mit einem Bauchladen voller Marmelade- und Honiggläser durch die Gassen ziehen und darauf hoffen, dass jemand dir etwas abkauft?«
Allein der Gedanke daran, dass ihr geliebter Engel auf das Wohlwollen von irgendwelchen Reisenden angewiesen sein könnte, versetzte Simone in Rage.
Rosanna verzog das Gesicht. »Ehrlich gesagt, finde ich Karls Ideen auch etwas abwegig. So viele Leute kommen ja schlieÃlich nicht nach Rombach. Und diejenigen, die kommen, machen im âºFuchsenâ¹ Station. Deine Mutter wäre sicher hellauf begeistert, wenn ich meine Waren vor eurer Tür feilbieten würde.« Sie seufzte.
Simones Blick wanderte voller Mitleid über Rosannas Gesicht, das verriet, dass sie zu wenig Schlaf bekommen hatte. Nun, von jetzt an konnte sie beruhigt schlafen.
Rosanna las weiter.
»Zu den Forellen: Vielleicht gibt es eines Tages in Rombach auÃer dem âºFuchsenâ¹ noch weitere Gasthöfe â dann könntest du die Forellen dort verkaufen.
Was immer du beschlieÃt zu tun, wende dich zuerst an Stanislaus Raatz oder auch an den Engländer. Sie waren viele Jahre meine Freunde, und sie werden dir mit Rat und Tat zur Seitestehen. Stanislaus wird dir auÃerdem weiterhin Lebensmittel bringen, das habe ich vor einiger Zeit so mit ihm besprochen â¦Â«
»Das ist ja wieder einmal typisch für GroÃvater! Mich hat er nicht erwähnt. Glaubt er vielleicht, ich würde dich verhungern lassen?«, brauste Simone auf.
»Er wusste doch, dass du für mich da sein wirst, das brauchte er doch nicht extra aufzuschreiben.« Nervös kaute Rosanna auf ihrer Unterlippe. »Andererseits: Wie willst du mir schon helfen? Du hast doch von all den Dingen, von denen Karl geschrieben hat, nicht den geringsten Schimmer. Und ich erst recht nicht! Honig machen? Forellen züchten?« Sie kippte den Rest ihres Glases hinunter.
»Wenn du dich betrinkst, hilft uns das auch nicht weiter«, tadelte Simone. Was hatte sich der Alte nur dabei gedacht, als er die Klausel in sein Testament einfügte, dass Rosanna den Hof bis zu ihrem Tod behalten musste? Ansonsten wäre es doch so leicht gewesen: Rosanna hätte alles verkauft, und sie beide hätten irgendwo, ganz weit weg, ein neues Leben beginnen können. So jedoch bestimmte Karl Moritz in gewisser Weise noch aus dem Grab heraus über Rosanna.
Angewidert verzog Simone das Gesicht. Doch da hob Rosanna den Brief erneut vor die Augen.
»Vielleicht wäre es am
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