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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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außerdem noch eine Magd vermitteln. Ein junges Mädchen namens Bärbel, gerade mal dreizehn Jahre alt. Sie komme aus einer altenKäserei-Familie, die jedoch nach dem Tod des Vaters in Not geraten sei. Die Mutter, die noch vier weitere Kinder zu versorgen habe, sei froh, das Mädchen loszuwerden.
    Stanislaus Raatz strahlte, als sei er der leibhaftige Weihnachtsmann, der ein Geschenk nach dem anderen aus seinem Jutesack zauberte.
    Â»So ist allen geholfen, verstehst du?«, sagte er.
    Nein, das verstand ich ganz und gar nicht, im Gegenteil, es wurde mir alles zu viel. »Ich und eine Magd? Wovon soll ich die bezahlen? Wo soll sie schlafen? Und überhaupt – ein Mädchen als Hirtenbub, davon habe ich ja noch nie gehört …«
    Bärbel brauche ich nicht zu bezahlen, die Mutter sei bereit, die Tochter gegen Kost und Logis hier arbeiten zu lassen, erklärte Stanislaus Raatz. Und schlafen könne sie bei den Ziegen.
    Als ob ich das zulassen würde! Wenn das Mädchen schon kommt, dann schläft sie natürlich bei mir im Haus.
    Wir redeten bis tief in die Nacht. Das letzte Mal, als ich Karls Uhren schlagen hörte, war es Mitternacht. Danach achtete ich nicht mehr auf die Zeit.
    Nichts gegen Ziegen, ich mag unsere Maja und die Liane sehr gern, aber gleich vierzig Stück davon? Und ein Bock?
    Ich erzählte Stanislaus von Karls Vorschlägen mit dem Honigmachen oder der Forellenzucht.
    Â»Das kannst du alles nebenher versuchen«, winkte er ab. »Der Ziegenkäse liefert dir jedoch ein regelmäßiges Einkommen. Der Engländer und ich werden uns nämlich um den Verkauf kümmern.«
    Gegen so viele Argumente war ich machtlos, und so ließ ich mich am Ende breitschlagen.
    Nächstes Wochenende holt Stanislaus mich ab. Dann geht’s ins Brunntal, wo wie jedes Jahr am ersten Märzwochenende ein großer Viehmarkt stattfindet. Dort treffen wir den Engländer und machen den Ziegenhandel perfekt.
    Ich will eigentlich nicht schon wieder schreiben, dass mir angst und bange ist. Aber wenn’s nun mal so ist …
    Ich höre jetzt schon, was Simone zu diesem Plan sagen wird: »Ziegen! Diese Mistviecher fressen doch alles auf, was nicht niet- und nagelfest ist! Vor denen ist kein Blumenbeet und kein Kräutlein sicher!« Wenn es um etwas Neues geht, ist sie eine alte Unke, aber ich werde mich nicht beirren lassen …
    Stanislaus Raatz hielt Wort: Es war noch nicht ganz hell, als er am Samstag darauf an Rosannas Tür klopfte. Dick vermummt – in der Nacht zuvor hatte es noch einmal strengen Frost gegeben – machten sich die beiden auf den Weg zum Viehmarkt. Bubi, der im Wechsel einmal auf Rosannas, dann wieder auf Stanislaus’ Schultern reiten durfte, quiekte vergnügt. Am Ortsanfang von Brunntal wartete der Engländer auf sie. Rosanna hätte den Weg zum Marktplatz auch allein gefunden, sie musste dabei nur dem strengen Geruch der tierischen Ausscheidungen folgen, der in der Luft lag.
    Ihre beiden Begleiter wussten genau, was sie für Rosanna kaufen wollten. Vor allem Muttertiere sollten es sein, damit sich die Herde alsbald vergrößerte, aber auch ein paar junge Böcklein und ein mächtiger Ziegenbock. Während die Männer mit den jeweiligen Besitzern der Tiere feilschten, hatte Rosanna alle Hände voll zu tun, um Bubi zu bändigen. Er zeigte nicht die geringste Scheu vor den vielen Tieren, sondern wollte jedes einzelne von ihnen umarmen und schließlich sogar auf ihnen reiten. Als der Handel gegen Mittag perfekt war, hatte Rosanna mehr als genug vom Markttrubel und vom Blöken und Muhen der mehr als achthundert Stück Vieh. Müde und aufgeregt zugleich folgte sie den beiden Männern schließlich ins »Goldene Pendel«, die Gastwirtschaft des Engländers.
    Sie wies einige Besonderheiten auf. Wenn sich die Gäste zum Beispiel erleichtern mussten, konnten sie das im Wasserklosett mit Spülung tun, denn das Haus wartete mit einer eigenen Kanalisation auf.
    Während sie in froher Stimmung Rosannas Erwerb vonvierzig Ziegen feierten – Bubi war inzwischen auf der Ofenbank der Gaststube eingeschlafen –, kam Bärbel dazu. Sie war ein ängstliches Mädchen, das den Blick ständig auf den Boden gerichtet hielt. Als sie mit ihrem mageren Bündel unterm Arm im Türrahmen stand, fühlte sich Rosanna an den Moment erinnert, als sie selbst in der Rombacher

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