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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Vortag abgelassen, die Forellen so gut es ging mit einem Kescher gefangen und in den Wasserfallgeworfen, von wo sie in den Bach und hinab ins Tal gespült wurden. Wo früher eisig blaues Wasser in der Sonne glitzerte, starrte ihr nun Dreck und Schlamm entgegen.
    Rosanna empfand nichts bei diesem Anblick. Gebeugt wie eine alte Frau wandte sie sich um – noch mehr Erde wartete darauf, ins Grab geworfen zu werden. Stunde um Stunde, den ganzen Tag lang. Wie Nadelstiche prasselte der Regen auf Rosannas bloße Arme, fiel eisig auf ihre Stirn, schien sich um ihren Hals zu legen und ihr die Luft zu nehmen.
    Irgendwann nahm sie ihre Entkräftung wahr. Freute sich daran, wie ihr Körper scheinbar in seine Einzelteile zerfiel.
    Mit Augen, die nicht mehr ihre waren, sah sie eine Gestalt auf sich zukommen. Simone. Ohren, die nicht zu ihr gehörten, fingen erschrockene Rufe auf. In ihren Ohren brachte der Regen die Stille zum Rauschen.
    Bubi ist für immer tot. Und ich bin es auch bald.
    Â»Du lieber Himmel! Wie lange bist du denn bei diesem Wetter schon draußen? Willst du dir den Tod holen?« Halb schleifte, halb zog Simone die Freundin ins Haus. Ohne sich um den Schmutz zu kümmern, den ihre Schuhe hinterließen, schleppte sie Rosanna die Treppe hinauf.
    Â»Wo ist eigentlich Bärbel? Dieses dumme Ding kann doch nicht seelenruhig dabei zuschauen, wie du dich umbringst! So viel Stroh kann doch nicht einmal sie im Kopf haben.«
    Ihre Worte waberten an Rosanna vorbei. Das Summen in den Ohren füllte nun ihren ganzen Kopf. Jeder Gedanke löste sich darin auf.
    Bärbel … die Ziegen … kalt … alles war so kalt … wie in einem Grab …
    Simone brachte Rosanna ins Badezimmer. Mit Argwohn betrachtete sie den Warmwasserspeicher.
    Â»Ein heißes Bad wird dir gut tun. Aber wie funktioniert das Ding? Muss ich diesen Knopf drücken oder einen der Schalter umlegen?« Sie schüttelte Rosanna sanft.
    Rosannas Blick blieb leer. Was wollte Simone von ihr? Warum konnte sie sie nicht einfach in Ruhe lassen?
    Â»Na also!« Ein Scheppern ertönte, gleich darauf das Gurgeln von Wasser, als sich der Kessel füllte.
    Rosanna spürte, wie Arme an ihr zerrten. Wie ihr die schweren Lederstiefel von den Füßen gerissen wurden. Ihr Kinn blieb in dem triefnassen Stoff des Kleides hängen, das Simone ihr über den Kopf ziehen wollte. Leinenstoff grub sich in ihr Fleisch. Sie ließ alles reglos mit sich geschehen.
    Bubi ist für immer tot. Und ich bin es auch bald.
    Krampfhaft versuchte sie sich an die Menschen zu erinnern, die schuld waren an seinem Tod. Aber nach Wochen tiefsten Leidens war ihr Inneres so leer, dass sie nicht einmal mehr Hass daraus schöpfen konnte.
    Wie gern hatte Bubi mit ihr im warmen Wasser gebadet … Der Gedanke war schneller da, als sie ihn davonjagen konnte.
    Sein Köpfchen hatte zwischen ihren Brüsten gelegen, so blond, so weich. Gejuchzt hatte er und immer wieder mit den Händen ins Wasser gepatscht, bis das halbe Zimmer überschwemmt war.
    Heiße Tränen rannen über ihre Wangen.
    Â»So, jetzt schnell hinein mit dir!« Simone fasste sie an beiden Händen, wollte sie wie ein Kind in die Badewanne bugsieren. »Während du im warmen Wasser liegst, mach ich uns einen Tee. Du wirst sehen, bald hast du wieder ein bisschen Leben in dir.«
    Abrupt riss sich Rosanna los. »Ich will nicht leben!« Ihre Stimme war schrill, nein, keine Stimme, ein Kreischen eher, dann nur noch ein Schluchzen. »Erst Karl, dann Bubi … Sterben möchte ich, sag das deinem lieben Gott. Warum holt er mich nicht auch? Das kann doch nicht so schwer sein. Ach, warum kann ich nicht einfach tot umfallen?«
    Weinend sank sie auf die Knie, verbarg den Kopf in ihren Armen. Nie mehr aufstehen  …
    Â»Rosanna, Liebste …« Simones Blick flatterte hilflos hin und her. »Ich verstehe deine Trauer. Auch ich bin traurig. Karl war doch mein Patenkind! Aber trotzdem …«
    Â»Ich will nicht mehr«, murmelte Rosanna dumpf. »Ich kann auch nicht mehr.«
    Arme, nicht warm, aber wärmer doch als ihre eigenen, schlangen sich um ihren Körper. Eine Stimme, ganz nah an ihrem Ohr.
    Â»Mein Engel, du darfst nicht verzweifeln. Ich bin doch bei dir. Und der liebe Gott ebenfalls, auch wenn du das jetzt nicht glauben magst.«
    Etwas Leichtes, Fedriges berührte Rosannas Kopf. Küsse, so

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