Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
Eigentlich hätte ihm die harte Arbeit auf den Feldern kräftige Muskeln bescheren müssen, stattdessen scheint es, als hätten die letzten Jahre alle Kraft aus ihm gesaugt. Die alten Breuers sind ihm schon längst keine Hilfe mehr, sondern zur zeitraubenden Belastung geworden. Aber vor allem kommt er nicht darüber hinweg, dass sein Michael nicht aus dem Krieg heimgekehrt ist. Mit gerade einmal sechzehn Jahren … Ja, nun hat Zacharias am eigenen Leib erfahren, was es heißt, einen Sohn zu verlieren.
    Er wirkt wie ein müder alter Mann … Warum habe ich trotzdem kein Mitleid mit ihm?
    Ach, was sitze ich hier und schreibe dummes Zeug? Eigentlich müsste ich schon längst meinen Rundgang durchs Hotel machen. Als Erstes werde ich mir Wolferl vornehmen. Auf den letzten hundert Metern hat die Kutsche immer wieder seitlich die Heckengestreift. Die müssen dringend zurückgeschnitten werden, und wenn mich mein Auge nicht getäuscht hat, dann wuchert auf den Tennisplätzen auch schon wieder der Löwenzahn. Dass Wolferl als Gärtner nicht selbst ein Auge für solche Dinge hat!
    Simone hat mich beschworen, sofort zu ihr ins Büro zu kommen, aber das muss noch warten. Anscheinend hat sich Stanislaus letzten Monat bei der Abrechnung der Lebensmittel gehörig zu unseren Ungunsten vertan. Absichtlich, behauptet Simone, was ich keinesfalls glaube. Aber ich muss der Sache natürlich trotzdem nachgehen.
    Und dann gibt es offenbar einen Gast, der schon den ganzen Morgen mit triefender Nase in der Bibliothek sitzt. Wahrscheinlich hat er eine Grippe, sagt Sieglinde. Kein Wunder bei der elenden Schafskälte in den letzten Tagen! Sieglinde befürchtet, dass der Mann die anderen Gäste anstecken wird, traut sich aber nicht, ihn darauf anzusprechen. Wenn nur der Doktor Steiert schon hier wäre! Dann hätte er bereits seinen ersten Patienten zu versorgen. Doch so werde ich den unvernünftigen Herrn wohl höflich auffordern müssen, sich in sein Zimmer zu begeben, bis er wieder wohlauf ist.
    Ach, es sind immer mindestens fünf Dinge gleichzeitig zu tun! Und ich würde lügen, wenn ich sage, dass mir das nicht behagt.
    Trotzdem hat es gut getan, erst einmal ein paar Zeilen zu schreiben. Wenn ich mein Tagebuch aufschlage, die Feder in die Tinte tauche und das erste Wort zu Papier bringe, dann weiß ich, dass ich wieder zu Hause bin …
    Â»Und du bist sicher, dass es eine gute Idee ist, diesen Doktor Steiert herzuholen? Ich meine, das wird dem Rombacher Arzt nicht gefallen …« Simone hatte Mühe, mit Rosanna Schritt zu halten, die zielbewusst auf die Bibliothek zusteuerte.
    Rosanna lachte. »Das ist doch der Sinn der ganzen Übung! Grün und blau soll er sich ärgern, wenn ihm die Leute davonrennen! Und die Rombacher wird’s freuen, wenn sie von mir eine kostenlose Behandlung spendiert bekommen. Nicht, dassmir deren Wohl besonders am Herzen liegt, aber das ist mir die Sache wert!«
    Vor der Tür zur Bibliothek blieb Rosanna stehen. Die Hand schon auf der Türklinke, drehte sie sich zu Simone und deren bekümmertem Gesicht um. Sie seufzte. Simone machte sich einfach immer zu viele Sorgen.
    Â»Ich weiß schon, was ich tue. Dieses selbstgefällige Ekel von Dorfarzt … Es geschieht ihm recht!« Allein beim Gedanken an den Mann richteten sich ihr auch nach all den Jahren noch die Nackenhaare auf.
    Simone schaute weiterhin skeptisch drein. »Und das alles wegen der alten Geschichte? Ist es das wert? Ich meine …«
    Â»Die alte Geschichte?« Obwohl Rosanna flüsterte, hatte ihre Stimme einen schrillen Ton angenommen. »Du redest von meinem Sohn, der gestorben ist, weil dieser Arzt es nicht für nötig hielt, ihn rechtzeitig zu behandeln.« Sie spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog.
    Â»Du hast ja Recht«, murmelte Simone. »Es ist nur … dieser Arzt wird uns ein ordentliches Sümmchen Geld kosten …«
    Mit Mühe schluckte Rosanna ihren Ärger über die Freundin hinunter. »Du und deine buchhalterische Seele! Wenn man dir zuhört, könnte man glauben, das Hotel stehe kurz vor dem Ruin! Dabei ging es uns noch nie so gut wie derzeit! Wir könnten uns fünf Ärzte leisten, wenn wir wollten. Und jetzt lass mich meine Arbeit tun!« Rosanna drückte die Klinke hinunter.
    Obwohl es helllichter Tag war und die Sonne den Parkettboden der Bibliothek in ein

Weitere Kostenlose Bücher