Antonias Wille
noch einmal zu versichern.
Aber weder im Tagebuch noch in den Zeitungen fand sich ein einziger Hinweis darauf, woran Rosanna gestorben war.
Wie sollte sie dieses Rätsel jemals lösen?
Und noch etwas schoss Julie durch den Sinn und verwirrte sie vollends: Antonia Fahrner war achtzig Jahre alt, das hieÃ, sie wurde 1920 geboren. Und das bedeutete, dass Helmut und Simone kurz nach Rosannas Tod â¦
Helmut und Simone?
Wie konnte das angehen?
Julie verstand nun gar nichts mehr.
Als ihr Handy klingelte, dauerte es einen Moment, bis sie das Geräusch zuordnen konnte. Fahrig suchte sie auf dem Schreibtisch nach dem Gerät. Als sie sich meldete, erkannte sie ihre Stimme kaum.
»Na endlich! Hör mal, könntest du bitte noch an einer Tankstelle halten und zwei Kisten Sekt mitbringen? Ich habe plötzlich Angst, dass die drei, die wir hier haben, nicht reichen. Nachdem ich gehört habe, wie viele Leute noch jemanden mitbringen wollen ⦠Mir kommt es so vor, als würde halb Freiburg heute Abend hier auftauchen. Also, ich bin echt froh, wenn du endlich da bist! Hier geht es drunter und drüber, das kannst du mir glauben. Ãber eine Stunde haben wir damit vertrödelt, diese verdammten Hexen an der Decke zu befestigen. Ich hab ja gleich gesagt, dass es ohne Dübel nicht geht, aber â« Theo unterbrach sich, um einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette zu nehmen. »Sag mal, warum stöhnst du denn so? Bist du krank? Oder â hey, das kannst du mir nicht antun!«
Julie stöhnte noch lauter. »Theo, es ⦠es tut mir so Leid â¦Â« Sie hatte die Halloween-Party völlig vergessen. Sie hatte noch nicht einmal gepackt. Sie â¦
»Sag jetzt nicht, dass du noch auf deinem Einsiedlerhof bist«, dröhnte es in ihrem Ohr.
»Doch«, flüsterte Julie. Ihr Kreuz schmerzte, ihre Augen brannten vor Ãbermüdung, ihre FüÃe waren eiskalt. DrauÃen hatte sich die Nacht herabgesenkt, dabei war es noch nicht einmalsechs Uhr abends. Sie musste bald Kerzen anzünden, sonst würde sie später nicht einmal mehr ihr Feuerzeug finden. Bei ihrem Einzug ins »Kuckucksnest« war es noch mindestens bis sieben Uhr hell geblieben. Wie lange war das her? Julie rechnete im Stillen nach. Drei Wochen. Heute war Dienstag, der 31. Oktober.
Halloween. Die Nacht der Geister. Die Nacht, in der die Toten als Geister zurückkommen konnten, wenn man sich nicht vor ihnen schützte. Auch Rosannas Geist? Julie nahm das Handy vom Ohr.
»Das darf doch nicht wahr sein!«, nuschelte Theos Stimme in Schulternähe. »In zwei Stunden bringt Emilio die Knoblauch-Pizzen, der Barkeeper aus dem âºLa Donnaâ¹ experimentiert dermaÃen intensiv mit seinen Absinth-Cocktails herum, dass er vom Probieren schon halb betrunken ist, wir haben dutzende von Rübengeistern und diese dämlichen Hexen drapiert, kurz gesagt: Hier steppt der Bär â und du hast das alles vergessen? Mensch, ich hab fest damit gerechnet, dass du in der nächsten halben Stunde hier eintrudelst â¦Â«
Julie hob das Handy wieder an ihr Ohr. »Theo, es tut mir wirklich Leid! Aber es ist etwas Schreckliches passiert â¦Â«
»Was ist los? Ist was mit Antonia? Hattest du einen Unfall? Hey, jetzt red doch endlich!« Jeder Vorwurf war aus Theos Stimme gewichen, sie hörte sich nur noch besorgt an.
»Mit Antonia ist alles in Ordnung, hoffe ich zumindest«, sagte Julie. Wie sollte sie Theo erklären, was sie gerade so stark beschäftigte? Sie seufzte tief. »Hast du überhaupt noch Zeit?«, fragte sie vorsichtig.
»Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an«, antwortete Theo, und Julie vernahm, wie sie die Bürotür mit einem lauten Rums zuschlug. »Also, ich höre â¦Â«
»Es geht um Rosanna â¦Â« Julie holte tief Luft. Dann begann sie von der groÃen Liebe zwischen Rosanna und Helmut Fahrner zu erzählen. Von seinem Heiratsantrag und von Rosannas Vermutung, schwanger zu sein. Und davon, dass sie genau am nächsten Tag gestorben war.
»Warte mal«, unterbrach Theo sie. »Dieser Helmut Fahrner ist doch Antonias Vater. Und Antonia ist ⦠achtzig Jahre alt! Das heiÃt â¦Â«
»Genau!«, fiel Julie ihrer Freundin ins Wort, verblüfft über die Schnelligkeit, mit der Theo dieselben Schlüsse gezogen hatte wie sie selbst. Nur hatte sie, Julie, vor lauter Wald die
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