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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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fertig zu machen? Und … ach ja, wenn Sie mir noch sagen könnten, wo es hier in der Gegend einen Campingausstatter gibt?«
    Kurze Zeit später stand Julie vor Antonia Fahrners Haus. Bei ihrem Anblick wurde die alte Dame vor Schreck ganz blass. Ein Rückzieher? Warum? Doch als Julie ihre Bitte vortrug, bekam Antonias Gesicht sofort wieder eine rosige Farbe. Natürlich konnte Julie den Schlüssel zum »Kuckucksnest« haben! Was für eine weise Entscheidung, dort oben, unmittelbar am Ort des Geschehens, in die Vergangenheit eintauchen zu wollen!

    Es war ein schöner Tag, wie ihn nur der Oktober verschenken konnte: Die Sonnenstrahlen wärmten, ohne erdrückend heiß zu sein, die Bienen und Hummeln tranken sich an tief lilafarbenen Asternblüten satt, zwischen denen fein gesponneneSpinnennetze glitzerten. Auf den Feldern wehte der Wind über die Stoppeln, vereinzelt sah man einen Feldhasen seine Haken schlagen. An den Wegrändern, wo vor wenigen Wochen noch die letzten Heckenrosen geblüht hatten, prangten nun die prallen schwarzblauen Beeren der Schlehenbüsche. Die Luft verströmte einen würzigen Duft nach reifem Obst, herabfallendem Laub und umgepflügter Scholle.
    Altweibersommer.
    Auf der Holzbank vor dem Moritzhof, den Rücken an die warme Hauswand gelehnt, ließ Julie ihren Blick zufrieden über die weiten Teppiche aus Heidekraut schweifen.
    Die Ruhe, die überwältigende Unendlichkeit des Himmels, die Luft, die so berauschend klar war, dass es Julie fast schwindlig wurde – das alles sollte sie bald für immer genießen können …
    Sie verbannte diese Vorstellung schnell wie einen ungebetenen Gast aus ihren Gedanken.
    Eine tiefe Ruhe, wie sie sie lange nicht mehr verspürt hatte, ergriff von Julie Besitz. Es war gut, hier oben zu sein. So Furcht erregend ihr nächtlicher Traum auch gewesen war, er hatte ihr den richtigen Weg gezeigt. Unten im »Fuchsen« mit seinem neugierigen Wirt und den lauten Stammtischgästen hätte sie den Wald vor lauter Bäumen nicht entdeckt.
    Sie lachte angesichts des passenden Bildes.
    Dann schloss sie die Augen, sog den Atem des Waldes ein und hörte den Vögeln zu, die sich für ihren langen Flug gen Süden rüsteten.
    Wenn überhaupt, dann würde sie Rosanna hier finden.
    Und Simone natürlich auch.
    Kaum war die Sonne hinter den Bergen verschwunden, wurde es rasch kühler, und Julie ging ins Haus. Sie hatte beschlossen, nur den ehemaligen Rezeptionsbereich zu bewohnen. Von hier aus waren es nur wenige Schritte nach draußen, sollte sie nächtens ein dringendes Bedürfnis verspüren. Und auch zur Küche,wo sie den eilig gekauften Campingkocher samt Plastikgeschirr abgestellt hatte, war es nicht weit. Ihre Essensvorräte hatte Julie ebenfalls gleich nach ihrer Ankunft in die Küche getragen und in einem Holzschrank verstaut. Da es keinen Kühlschrank gab, hatte sie auf frische Produkte verzichtet und sich stattdessen mit geräucherter Wurst, sauren Gurken, Brot, Nugatcreme fürs Frühstück und reichlich Teebeuteln eingedeckt. Ein Korb gelbroter Äpfel, eine Schale Pflaumen und ein halbes Dutzend Tafeln Nussschokolade und einige Flaschen Rotwein machten die Vorräte komplett.
    Nachdem Julie die schweren Polstermöbel von den weißen Stoffhussen befreit hatte, stellte sie zwei Sofas nebeneinander. Ein wunderbar breites und sicher auch bequemes Bett! Vor sich hin summend verteilte sie anschließend die vier Petroleumlampen, die sie in einem Baumarkt zwei Ortschaften weiter erstanden hatte: eine direkt neben ihrem Bett, sodass sie abends genügend Licht zum Lesen hatte, zwei auf dem Tresen, damit gespenstische Schatten im Dunkeln erst gar keine Chance bekamen, Julie zu erschrecken. Die vierte Lampe trug sie zu dem Kirschbaumsekretär am Fenster, auf dem sie ihren Laptop abstellen wollte. Zum Glück hatte sie zwei Akkus für das Gerät! So würde sie pro Tag bis zu acht Stunden arbeiten können – falls sie das überhaupt durchhielt. Sie hatte mit Antonia ausgemacht, dass sie zum Laden der Akkus vorbeikommen würde, was die alte Dame sichtlich begeistert hatte – wahrscheinlich erhoffte sie sich, bei Julies Besuchen etwas über die Fortschritte des »Projekts« zu erfahren.
    Zufrieden betrachtete Julie ihr Lager im »Kuckucksnest«. Es fühlte sich so … richtig an, hier oben zu sein!
    Nach

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