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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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in die Armbeuge. So würden es die feinen Damen in den Kurbädern ebenfalls halten, erklärte er mir und zwinkerte mir dabei so heftig zu, dass sein gezwirbelter Schnurrbart bebte.
    Und dann war da noch der Herr Butto aus einem Ort namens Jena, der alle drei Monate mit einer ganzen Kiste Feldstecher anreiste, die er hiesigen Jägern anbot. Manche Gäste kamen auch nur ein einziges Mal, so wie der Herr, der Tabletten gegen Heiserkeit anbot. Die wollte nämlich niemand haben.
    Wenn die Weitgereisten die Wirtsstube betraten, sahen sie meist so erschöpft aus wie ihre Pferde, die sie im Stall neben den Kühen gut untergebracht wussten. Aber nach ein, zwei Krügen Bier und einem guten Essen war die Abgespanntheit schnell von ihnen gewichen. Dann konnte es vorkommen, dass einer mit seinen Geschichten von den Reisen die halbe Wirtschaft unterhielt. Was die alles zu erzählen hatten! Da hätte ich mich manches Mal gern dazugesetzt, aber bei der vielen Arbeit konnte ich immer nur mit einem Ohr lauschen.
    Spät nachts, wenn ich eigentlich nichts anderes mehr wünschte, als mich in der Kammer, die früher der Kathi gehört hatte, zum Schlafen hinzulegen, schlüpfte Simone meist noch zu mir und wollte, dass ich ihr ein paar der Geschichten erzählte. Oft tat ich ihr den Gefallen – sie bekam eben nichts vom Leben draußen mit.
    Wenn am Stammtisch ein Cegospiel im Gange war, kam es vor, dass einer der Geschäftsleute mitspielen wollte. Die bildeten sich tatsächlich ein, mit ihrer städtischen Schläue die anderen beim Kartenspiel aufs Kreuz legen zu können! Aber so schnell ließen sich die Männer vom Stammtisch natürlich nicht die Butter vom Brot nehmen, und da konnte es manchmal sein, dass sie bis weit nach Mitternacht mit ihren bunten Karten dasaßen, ihre »Räuber«, »Bettel« oder »Solos« ansagten, lachten und einfach nur fröhlich waren.
    Wenn ich daran zurückdenke, war das für mich eigentlich eine schöne Zeit im »Fuchsen« …
    Â»Grüß Gott, der Herr.« Rosanna machte einen kleinen Knicks. »Wie schön, dass Sie uns wieder besuchen! Wenn ich fragen darf: Wie geht es Ihrem Rücken?«
    Der Uhrenhändler schaute von seinem kleinen schwarzen Notizbuch auf, in das er gerade mit Bleistift winzige Eintragungen machte. »Dass du dir die leidige Geschichte mit meinem Hexenschuss gemerkt hast, bei den vielen Leuten, die zu euch kommen! … Sind doch immerhin schon zwei Wochen vergangen, seit ich das letzte Mal hier war. Aber wenn du schon fragst: Schlecht geht es! Ein alter Ochs hat halt kein junges Kreuz mehr!« Missmutig warf er seinen Bleistift auf den Tisch.
    Â»So alt sind Sie nun auch wieder nicht! Warten Sie nur ab, bis das feuchte Aprilwetter vorüber ist, dann geht’s auch dem Kreuz wieder besser.« Sie gab Zacharias ein Zeichen, dass er einen Krug Bier zapfen sollte, während sie gleichzeitig ein Sitzkissen von einem der Stühle nahm und dem Uhrenhändler in denRücken schob. Dann zählte sie auf, was die Küche an diesem Tag zu bieten hatte.
    Nachdem der Mann seine Bestellung gemacht und Rosanna seine Wünsche an Franziska weitergegeben hatte, schaute sie hinüber zur Theke. Sowohl Gustav Breuer als auch Zacharias waren beschäftigt, und an den Tischen wollte ebenfalls niemand etwas von ihr. Deshalb atmete sie einmal tief durch und ging dann zu einem der Ecktische hinüber.
    Auch hier saß ein häufiger Gast, ein Devotionaliengroßhändler – auf das »groß« legte er besonderen Wert. Er reiste von Wallfahrtsort zu Wallfahrtsort und verkaufte den dort ansässigen Devotionalienhändlern silberne Amulette, mit Heiligenbildern geschmückte Seifen, wächserne Jesuskindfiguren und bunte Papierbilder, auf denen die Mutter Maria in allen möglichen Variationen zu sehen war. Ein solches Marienbild hatte er Rosanna bei seinem letzten Besuch geschenkt. »Devotionalien sollen die Gläubigen an ihre letzte Wallfahrt erinnern und sie geistig mit dem jeweiligen Wallfahrtsort verbinden«, hatte er ihr erklärt und hinzugefügt: »Solch eine Mutter Gottes in der Schublade schadet auch dann nicht, wenn man noch nie wallfahrten war.«
    Â»Ach Rosanna, ich hab schon gedacht, du kämst heute gar nicht zu mir!« Erfreut schaute der Devotionaliengroßhändler von seinem Suppenteller auf. Sein Bart war fettig, seine Wangen waren

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