Antonias Wille
von dem heiÃen Essen gerötet. Bevor er weitersprach, schob er sich genüsslich den nächsten Löffel Suppe in den Mund. »Aber ich sehe natürlich, dass du ständig springen musst.« Kauend nickte er in Richtung der voll besetzten Tische. »Am Stammtisch gehtâs heute ganz schön laut zu, nicht wahr? Wenn ich noch einen Beweis dafür bräuchte, dass euer Bier besonders gut schmeckt, dann hätte ich ihn hier leibhaftig vor mir!«
Verlegen strich sich Rosanna ein paar Haare hinters Ohr. »Ich habe da mal eine Frage ⦠Also, es ist so â¦Â« Sie verstummte.
Der Händler legte seinen Löffel ab. »Nicht so schüchtern,junge Frau! Möchtest du noch ein Marienbildchen haben? Ist es das?«
Rosanna schüttelte den Kopf. Hastig zog sie einen kleinen, runden Gegenstand aus ihrer Rocktasche und legte ihn vor den Mann auf den Tisch.
»Eine Spanschachtel?« Mit einem Stirnrunzeln griff der Händler danach. »Rosanna.« Laut las er die kunstvoll eingebrannte Aufschrift vor. »Eine hervorragende handwerkliche Arbeit. Aber was soll ich damit?«
»Mit der hier gar nichts!«, sagte Rosanna lächelnd. »Die hab ich nämlich geschenkt bekommen.« Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, wie Zacharias ihr zuwinkte. Hastig erklärte sie dem Händler, dass eine junge Witwe im Dorf diese Spanschachteln herstellte, und fragte ihn, ob er sie nicht in seinen Devotionalienhandel aufnehmen könnte. »Margret würde die Schachteln mit den Namen von Wallfahrtsorten verzieren. Und Engel und die Mutter Maria einbrennen. Für mich hat die Margret Kühe genommen, weil sie weiÃ, dass ich die so gern hab!« Rosanna zeigte auf die detailgetreue Abbildung einer Herde Hinterwälderkühe, die wie im Gänsemarsch über den Rand der Schachtel liefen.
Der DevotionaliengroÃhändler lachte auf. »Soso, Kühe magst du also besonders gern!«
»Rosanna! Nachschlag für Tisch zwei!«, drang Zachariasâ Stimme über das Löffelgeklapper und Stimmengemurmel zu ihr herüber.
»Ich komme schon!«, rief sie zurück. »Ich dachte ja auch nur ⦠Die Wallfahrer könnten doch in diesen Schachteln ihre Marienbilder so schön aufbewahren.« Und die Margret hat das Geld bitter nötig, fuhr sie im Stillen fort.
Der Händler kratzte sich am Kopf. »Soso, das hast du dir also gedacht. Gar keine schlechte Idee! Na, ich könnte ja zumindest einmal mit dieser Margret reden â wenn du mir verrätst, wo die gute Frau wohnt.«
Rosanna war noch keine fünf Schritte vom Tisch des Mannesentfernt, als sie erneut ihren Namen hörte. Gottlieb König, einer ihrer täglichen Gäste, deutete auf seinen leeren Bierkrug. Dann sagte er: »Rosanna, liebes Kind, wenn du vielleicht ⦠gleich die Wirtin fragen könntest â¦Â« Er lächelte verlegen und deutete auf den vollen Korb, den er auf dem Stuhl neben sich abgestellt hatte.
»Mal sehen, was sich machen lässt«, antwortete sie mit einem Seufzen.
»Sag mal, was gibt es denn da so lange zu tratschen? Hier wird das Essen kalt!«, zischte Franziska durch die Durchreiche, wo zwei Suppen und drei Portionen Kesselfleisch darauf warteten, an die Tische gebracht zu werden. Rosanna presste die Lippen zusammen.
Sie war schon mitten in der Nacht aufgestanden, weil Elsa gekalbt hatte. Nun war sie todmüde, und die FüÃe taten ihr weh. Wie hätte sie sich gefreut, wenn die Wirtin ihr wenigstens eine kleine Verschnaufpause gönnen würde!
Das nächste Mal soll sich um die Viecher kümmern, wer will, ich werde meinen Schlaf jedenfalls nicht mehr opfern, nahm sich Rosanna im Stillen vor und ergriff die Teller so abrupt, dass Suppe über den Rand schwappte.
Nachdem sie das Essen verteilt hatte, ging sie zur Theke, wo ein Glas Wasser für sie bereitstand. Und wenn Franziska zehn Mal nach ihr brüllte â sie musste sich einen Moment lang ausruhen! Während sie einen Schluck Wasser trank, beobachtete sie, wie der DevotionaliengroÃhändler die Spanschachtel, die sie scheinbar auf seinem Tisch vergessen hatte, nochmals beäugte.
Jetzt mussten Margret und er nur noch ins Geschäft kommen. Rosanna wünschte es der jungen Frau von Herzen. Sie und ihr Mann Robert hatten für eine Säckinger Firma Seidenbänder gewebt. Nach seinem Tod war Margret mit der Auftragsarbeit nicht mehr nachgekommen,
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