Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
über Nacht blieben, und die Männer vom Stammtisch hatten natürlich mehr Zeit und wollten auch immer ein wenig mit mir schwätzen.
    Schon bald fiel mir auf, dass freitags, wenn es Süßspeisen gab, viele Männer einen Nachschlag bestellten. Nicht etwa, weil die Portionen dann kleiner ausfielen als an anderen Tagen, sondern weil Männer einen mindestens ebenso süßen Zahn haben wie Kinder. Also machte ich Franziska den Vorschlag, jeden Tag einen Teller mit süßem Hefekuchen oder eine Schale mit Kompott für alle sichtbar auf die Theke zu stellen. Bestimmt hatten viele nach dem Essen noch Lust auf etwas Süßes, fügte ich hinzu. Zu meinem Erstaunen ging die Wirtin gleich darauf ein, und tatsächlich: Von da an bestellten viele Gäste zusätzlich noch ein Stück Kuchen oder ein Schüsselchen Apfelkompott. Franziska sah das natürlich gern, auch wenn sie darüber mir gegenüber nie ein Wort verlor. Aber Simone, die ja die Abrechnungen für die Wirtsstube erledigte, behauptete, seit ich die Leute bediente, sei mehr Geld in der Kasse als zuvor. Und diese Tatsache allein war mir Lob genug.
    Franziska Breuers launische Art war für mich nicht leicht zu ertragen. An manchen Tagen tat sie so vertraulich, als sei ich ihre beste Freundin. Mir war das gar nicht recht. Und dann gab es wieder Zeiten, da redete sie kein normales Wort mit mir, sondern hatte an allem, was ich tat und sagte, etwas zu meckern. Natürlich bekamen die anderen auch ihr Fett weg – Simone am meisten –, aber im Gegensatz zu mir schienen sie sich nichts daraus zu machen. »Zum einen Ohr rein und zu dem anderen wieder raus!«, sagte Zacharias zu mir, als seine Mutter wieder einmal durchs ganze Haus tobte. Ja, ihm gelang das, aber ich musste jedes Mal schlucken, wenn sie mich für etwas schalt, woran ich gar keine Schuld hatte. Und so war ich froh, dass ich wenigstens an den Abenden, wenn sie mit Anton und Simone in der Küche arbeitete, meine Ruhe vor ihr hatte.
    Um den Bierausschank kümmerte sich Herr Breuer, und Zacharias brachte die Getränke an die Tische, was mir sehr gelegen kam. Mehrere Bierkrüge auf einmal haben nämlich ein ganz schönes Gewicht! Wir arbeiteten gut Hand in Hand: Meistens reichte ein Kopfnicken von mir, und Zacharias wusste, an welchem Tisch das Bier ausging. Wenn einmal besonders viel zu tun war, machte er sich auch nichts daraus, einen Stapel schmutziges Geschirr abzuräumen, obwohl sein Vater immer sagte, das sei Weibersache. Es gefiel mir natürlich sehr, dass Zacharias mir trotzdem bei der Arbeit half.
    An meinem ersten Abend in der Wirtsstube hatte Franziska mich gewarnt, dass Gäste manchmal auch frech wurden. So etwas sollte ich sofort ihrem Mann melden. Doch richtigen Ärger gab es eigentlich nie. Die Leute mochten mich, sonst hätten sie, wenn’s ans Zahlen ging, nicht immer auch ein paar Münzen für mich auf dem Tisch liegen lassen. Doch sobald der Gast weg war, nahm Franziska auch dieses Geld an sich. »Du bekommst schließlich Kost und Logis für deine Arbeit«, sagte sie zu mir. Zacharias fand das ungerecht und drängte mich, auf dem Geld zu bestehen, aber wie hätte ich das anstellen sollen? Franziska war die Wirtin und ich nur die Magd.
    Seit die vier Fremdenzimmer unter dem Dach ausgebaut waren, fanden sich im »Fuchsen« abends immer öfter Übernachtungsgäste ein: Uhrenhändler, Leute, die mit Waldglas handelten, manchmal auch einer, der im Auftrag der Eisenbahn unterwegs war. Kaum hatte jener die Schwelle betreten, wurde er von den Männern am Stammtisch belagert. »Wann ist es denn endlich so weit mit der Eisenbahnlinie nach Rombach?« Dabei konnte doch jedes Kind sehen, dass es noch eine Zeit lang dauern würde. Die Arbeiter, die die Schienen verlegen sollten, waren noch nicht einmal am Ortseingang von Rombach angelangt. Karl schätzte, dass es noch ein, zwei Jahre dauern würde, bis Rombach seinen eigenen Bahnhof hätte. Bis dahin mussten die Reisenden weiterhin woanders aussteigen und schauen, wie sie von dort weiterkamen.
    Ein Herr hatte sogar den weiten Weg von Köln bis in den Schwarzwald zurückgelegt. In seinem Gepäck hatte er Kölnisch Wasser, »aber das echte, bitte schön!«, wie er nicht müde wurde zu betonen. Als die Wirtin gerade einmal nicht ihren Kopf aus der Küchenklappe steckte, tupfte er mir einige Tropfen von dem Duftwasser

Weitere Kostenlose Bücher