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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Pfarrer zu predigen begann und sie sich recht auf seine Worte konzentrierte, waren die Gemeinheiten ihrer Geschwister sowie die Schindereien ihrer Mutter weit weg. Simone lehnte sich auf der harten Kirchenbank zurück. Sogar ihr Rücken, der mit dicken Striemen von Mutters Schlägen überzogen war, tat hier weniger weh. Simonewar aus dem Milchhaus gerannt, auf der Flucht vor Zacharias und Anton, die ihr eine tote Maus ins Kleid hatten stecken wollen. Dabei war sie mit dem Ellenbogen an eine Schüssel mit Quark gestoßen, und der gesamte weiße Inhalt landete auf dem Boden. Die Brüder hatten sich schnell verdrückt und die Maus dabei in den Rosenbusch neben dem Milchhaus geworfen. Simone aber hatte die Schläge abbekommen.
    Sie seufzte tief. Ein Dummejungenstreich, mehr nicht. In diesen geweihten Mauern war er es nicht wert, dass sie auch nur einen weiteren Gedanken daran verlor.
    Hier war vieles unwichtig oder kränkte sie zumindest nicht mehr so sehr wie zuvor. Wie zum Beispiel der Gedanke an den Vater, der auf der anderen Seite bei den Männern saß und immer so tat, als gäbe es sie überhaupt nicht.
    Und die Schule war ganz weit weg … Zum Glück würde diese Quälerei im kommenden Sommer ein Ende haben. Nicht einmal Rosanna konnte sich vorstellen, wie schrecklich die Stunden in dem stickigen Klassenzimmer waren. Sie hatte ja auch das Glück gehabt, nie eine Schule besuchen zu müssen. Sie wusste nicht, wie es sich anfühlte, wenn die Buben »Vogelscheuche« hinter einem herriefen.
    Â»Sei froh, dass du lesen und schreiben lernst«, hatte Rosanna erst gestern wieder gesagt, nachdem Franziska sie wegen einer fehlerhaften Aufschrift auf der Tafel vor dem Wirtshaus rügte. »Reisende wielkommen«, hatte Rosanna geschrieben. Die Mutter ritt auf dem Schreibfehler herum, als ob Rosanna der dümmste Mensch sei, der ihr je untergekommen war! Eine dumme Magd nannte sie Rosanna. Wie gut Simone das Gefühl kannte, gedemütigt zu werden! Deshalb hatte sie es Rosanna auch nicht übel genommen, als diese nach dem Vorfall nicht von ihr getröstet werden wollte, sondern sie wütend anschrie. Sie wolle einmal, nur ein einziges Mal in diesem Haus ihre Ruhe haben.
    Simone warf der Mutter heimlich einen hasserfüllten Blick zu – sich über andere lustig machen, das konnte sie! Dabei gabes Schlimmeres im Leben, als nicht richtig schreiben zu können. Der Lehrer hatte Simone zwar erst kürzlich bescheinigt, sie sei so intelligent wie mancher Bub, und er hatte gefragt, ob die Eltern sie nicht auf ein Gymnasium schicken wollten, doch davon hatte Simone daheim nichts erzählt. Fort in eine fremde Stadt? Ohne Rosanna? Das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Sie brauchte Rosanna. Und Rosanna brauchte sie.
    Auch ein Schutzengel brauchte Schutz.
    Vor allem vor Zacharias, der Rosanna nachstellte, wo es nur ging. Glaubte er etwa, seine lüsternen Blicke würden ihr verborgen bleiben? Genauso hatte er damals die dumme Luise angeglotzt. Und dann hatte er sie geküsst – einfach widerlich! Simone hatte genau beobachtet, was hinter dem Abort geschehen war. Das sah ihrem Bruder ähnlich, dass er ein Mädchen ausgerechnet dorthin schleppte!
    Simone wollte unbedingt verhindern, dass er das Gleiche mit Rosanna machte. Wenn sie sich nur vorstellte, wie Zacharias seinen breiten Mund auf Rosannas rosafarbene Lippen presste … Simone schüttelte sich innerlich. Sie hatte die geliebte Freundin bereits gewarnt, ihr von Luise, der Magd, erzählt, aber Rosanna hatte nur gelacht und geantwortet, sie könne gut auf sich selbst aufpassen. Sie fügte hinzu, dass sie, Simone, Gespenster sähe, dass Zacharias einfach nur freundlich zu ihr sei. Nun, woher sollte Rosanna auch wissen, dass Simone keine Gespenster, sondern mehr sah als andere? Ihr Engel traute einfach niemandem etwas Böses zu. Daran hatte nicht einmal das furchtbare Erlebnis mit dem Mann im letzten Herbst beim Beerenlesen etwas geändert.
    Die Erinnerung ließ Simone frösteln.
    Sie hatte das schreckliche … Ding des Mannes bereits an ihrem Schenkel gespürt. Viel hatte nicht mehr gefehlt.
    Simone schauderte. Wenn Rosanna nicht gewesen wäre …
    Aber sie war da gewesen. Sie hatte ihr das Leben gerettet, auch wenn Rosanna das nicht so sah. Aber vielleicht war das beiEngeln immer so – dass sie ihre Güte und Fürsorge

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