Anubis 02 - Horus
antwortete er rasch, aber in keineswegs devotem Ton. »Aber Miss Bast kann uns möglicherweise dabei behilflich sein, das Opfer zu identifizieren, und da dachte ich …«
»Das Denken haben Sie gefälligst mir zu überlassen, Inspektor«, unterbrach ihn Monro schneidend. Im nächsten Moment schon erlosch sein Ärger ebenso plötzlich, wie er aufgekommen war, und machte einem neuen, fast verschlagenen Ausdruck Platz. »Auf der anderen Seite … vielleicht ist es gar nicht das Schlechteste, dass Sie da sind, Madam. Möglicherweise können Sie uns ein paar Fragen beantworten. Kommen Sie. Schauen Sie sich um, was wir gefunden haben!«
Er wedelte auffordernd mit der Hand und scheuchte gleichzeitig mit der anderen den größten Teil der Bobbys aus dem Raum, sodass Bast näher an das Bett herantreten und auch Abberline endgültig hereinkommen konnte.
Sie hatte geahnt, dass sie Schlimmes sehen würde, und sie war Schlimmes gewohnt, doch nicht einmal ihr gelang es, vollkommen unbewegt zu bleiben.
Die Tote auf dem Bett war Marie-Jeanette, das rothaarige Mädchen aus dem Ten Bells, aber Bast hatte Mühe, sie zu erkennen. Nicht weil ihr Gesicht verunstaltet gewesen wäre. Ihr Mörder hatte ihre wunderschönen Züge unversehrt gelassen, aber was er mit ihrem Körper getan hatte, war so entsetzlich, dass es ihren Blick fast magisch anzog und es ihr beinahe unmöglich machte, irgendetwas anderes wahrzunehmen. Es dauerte eine Weile, bis sie überhaupt etwas sagen konnte. Und auch dann war es nicht sonderlich originell.
»Das … das ist …«
»Ein schrecklicher Anblick, nicht wahr?« Monro kam näher und wedelte mit einem spitzenbesetzten weißen Taschentuch vor dem Gesicht herum; vermutlich um den furchtbaren Geruch nach Blut und Innereien zu verscheuchen, der von dem ausgeweideten Leichnam ausging. »Da fragt man sich doch, welcher Mensch so etwas fertig bringt … oder ob es überhaupt ein Mensch war.«
Rast drehte sich halb herum und warf Abberline einen verstohlen fragenden Blick zu, den dieser mit einem ebenso verstohlenen Kopfschütteln beantwortete. Nichts davon entging Monro.
»Aber ich nehme an, dass Sie dieser Anblick auch nicht besonders überrascht«, fuhr Monro fort.
»Was genau wollen Sie damit sagen?«, fragte Bast kühl.
»Erinnert Sie das nicht daran, wie Ihr bedauernswerter Kutscher ausgesehen hat, als man ihn fand?«, fragte Monro mit gespielter Unschuld.
Bast nickte nur. Tatsächlich hatte man Marie-Jeanette auf ähnliche Weise zugerichtet wie den armen Arthur – nur sehr, sehr viel schlimmer. Ihr Gesicht war so ziemlich das Einzige an ihr, was unversehrt geblieben war. Und nicht nur der für alle Zeiten erstarrte Ausdruck von Qual darauf sagte Bast, dass sie die ganze Zeit über bei vollem Bewusstsein gewesen war …
»Ich habe es überprüft, Sir«, sagte Abberline ungefragt. »Miss Bast war den ganzen Tag über in der Pension. Kapitän Maistowe und Mrs Walsh, die Pensionswirtin, haben das bestätigt, und die Konstabler, die das Haus bewacht haben, ebenfalls.«
»Das ist erfreulich für Ihre … ähm … für Miss Bast«, antwortete Monro. »Immerhin beweist es, dass sie diesen Mord nicht selbst begangen hat … aber das habe ich auch niemals angenommen. Das hier ist nicht die Tat einer Frau, ganz gleich, woher sie auch kommen mag.«
»Warum wollen Sie mich dann verhaften?«, fragte Bast.
»Vorladen wäre der korrektere Ausdruck«, sagte Monro kühl. »Hat Inspektor Abberline das nicht erwähnt? Wenn ja, entschuldige ich mich für dieses Versäumnis, aber es ändert nichts daran, dass Sie sich als in Gewahrsam genommen betrachten müssen. Es tut mir leid.«
»Und warum?« Bast drehte sich halb um, sodass ihr wenigstens der grässliche Anblick der geöffneten Leiche auf dem Bett erspart blieb.
»Nun, aus zwei Gründen«, antwortete Monro. »Der eine ist, dass ich sicher bin, dass Sie etwas mit dieser ganzen Geschichte zu tun haben. Sie haben diese Morde gewiss nicht selbst begangen, aber ich weiß, dass Sie etwas damit zu tun haben. Sie wissen, wer sie begangen hat, oder zumindest doch warum, und Sie werden mir sagen, was Sie wissen.«
»Was zu beweisen Ihnen schwerfallen dürfte«, sagte Bast kühl.
»Vielleicht«, antwortete Monro ungerührt. »Vielleicht auch nicht. Aber das ist im Moment zweitrangig. Ich sagte Ihnen doch, dass ich Sie aus zwei Gründen … hergebeten habe. Interessiert Sie der zweite Grund?«
Bast verschwendete keine Zeit damit, überhaupt zu antworten, und Monro hatte
Weitere Kostenlose Bücher