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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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das Mädchen vollkommen unversehrt. Ihr Mörder hatte darauf verzichtet, sie zu verstümmeln oder gar auszuweiden, wie er es mit Arthur und Marie-Jeanette getan hatte, sondern ihr einen fast barmherzigen, auf jeden Fall aber schnellen Tod gewährt – aber irgendwie machte das alles beinahe nur noch schlimmer. Warum empfand sie nichts?
    »Wer war das, Mrs Walsh?« Abberlines Stimme blieb leise, fast sanft, nahm zugleich aber auch einen irgendwie … amtlichen Ton an, der kein bisschen verletzend oder auch nur einschüchternd wirkte, aber seinen Zweck erreichte. Glorias Blick löste sich von Basts Gesicht und suchte den Abberlines, ohne dass das Leben wirklich in ihre Augen zurückzukehren schien.
    »Bitte erzählen Sie mir, was passiert ist«, sagte Abberline sanft.
    »Und keine Sorge um Jacob. Es geht ihm gut.« Er nickte auffordernd. »Also, Was ist passiert’«
    »Er ist einfach aufgetaucht«, antwortete Mrs Walsh, noch immer mit dieser sonderbar hellen, zerbrechlichen Stimme, die an ein Weinen erinnerte, ohne es zu sein. Ihre Hand strich über Cindys blasses Gesicht, ohne dass sie sich der Bewegung auch nur bewusst zu sein schien. »Wie aus dem Nichts. Er stand einfach da und … und hat sie umgebracht. Ich konnte nichts tun. Ich wollte es, bitte, das müssen Sie mir glauben! Ich habe versucht, mich zu wehren, aber er …«
    »War viel zu stark für Sie, das ist mir klar«, unterbrach sie Abberline. »Sie müssen sich keine Vorwürfe machen. Was hätten Sie tun sollen?«
    Etwas in Bast … spannte sich. Da war plötzlich ein sanfter Druck, der allmählich zunahm, langsam, aber so unerbittlich wie eine Stahlfeder, die immer mehr zusammengepresst wurde. Sie sah Cindy an und empfand noch immer nichts, aber sie begann zu ahnen, dass vielleicht genau dieses Nichts der schrecklichste aller Schmerzen war, die sie hätte empfinden können.
    »Erinnern Sie sich, wie er ausgesehen hat?«, fragte Abberline.
    Darauf sagte Mrs Walsh nichts, aber sie sah zu Bast hin, und das war Antwort genug. Abberline nickte.
    »Und Sie haben gar nichts gesagt?«, fragte Abberline.
    »Nein«, antwortete Mrs Walsh. »Nichts. Kein Wort.«
    Bast schloss die Augen, aber es nutzte nichts. Sie sah Cindys blasses Gesicht noch immer ebenso deutlich vor sich wie Mrs Walshs blutverschmierte Hände und die Tränenspuren auf ihren Wangen. Sie wünsche sich, sie hätte an ihrer Stelle weinen können.
    Das konnte sie nicht. Doch sie konnte etwas anders tun. Etwas, das sie schon vor langer, vor sehr langer Zeit hätte tun sollen.
    Sie schloss die Augen, konzentrierte sich und stellte sich das Bild einer Kette vor. Es wäre nicht nötig gewesen, aber es erschien ihr angemessener als ein einfaches Loslassen, und es war vielleicht das letzte Mal, dass sie etwas wirklich selbst entscheiden konnte. Es war eine sehr schwere, massive Kette, alt und mit Rost und Grünspan überzogen, aber gemacht für die Ewigkeit und unzerstörbar, außer für sie.
    Bast zerriss die Kette, und in ihrer Seele hallte ein tiefes, unendlich erleichtertes Seufzen wider.
    »Ich rufe meine Leute, damit sie auf Jacob und Sie aufpassen«, sagte Abberline. »Und dann …«
    »Sie werden nichts dergleichen tun, Inspektor.« Langsam bückte sie sich nach ihrem Schwert, hob es auf und schob es unter ihren Gürtel. »Sie werden dafür sorgen, dass Mrs Walsh und Jacob an Bord der Lady gelungen und sicher das Land verlassen. Das ist alles, was Sie tun werden. Alles andere ist meine Sache.«
    »Aber das kann ich nicht, Bast!«, sagte Abberline. »Wissen Sie denn nicht, wer …«
    »Sie werden genau das tun«, fiel sie ihm ins Wort. Gleichzeitig legte sie die Hand auf den Schwertgriff, aber sie glaubte nicht, dass es das war, was Abberline nicht nur verstummen, sondern nach einem weiteren Augenblick sogar nicken ließ. Es war wohl viel mehr die Kälte, die plötzlich in ihrer Stimme lag, ein Ton, der neu war und sogar ihr selbst ein flüchtiges, eiskaltes Schaudern über den Rücken laufen ließ.
    »Wenn Sie Ihren Freunden noch einen Gefallen erweisen wollen, dann sorgen Sie dafür, dass hier keine Spuren zurückbleiben, und lassen Sie Cindy anständig begraben«, sagte sie, während sie sich bereits herumdrehte, um das Zimmer zu verlassen.
    »Und hören Sie auf, mich Bast zu nennen«, fügte sie hinzu. »Mein Name ist Sachmet.«

ACHTES KAPITEL
    Jemand hatte die Tür des Ten Bells repariert, aber die Arbeit hatte sich nicht gelohnt. Bast machte sich nicht die Mühe, nach der Klinke zu greifen,

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